Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
August 2014

Jens Schröter (Hg.)
Handbuch Medienwissenschaft
Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2014
572 S., 49,95 €
ISBN: 978-3-476-02412-1

Jens Schröter (Hg.):
Handbuch Medienwissenschaft

Diesmal steht der Film in meinem Monatsbuch in einem größeren wissenschaftlichen Zusammenhang. Es geht um die Medienwissenschaft, die sich in den vergangenen Jahrzehnten stark erweitert und ausdifferenziert hat. Das Handbuch, herausgegeben von Jens Schröter, ist gut strukturiert, es stellt die verschiedenen Medientheorien vor, informiert über die historische Entwicklung zahlreicher Einzelmedien (natürlich auch des Films) und erklärt die Schnittstellen zu anderen Disziplinen, zum Beispiel der Medienphilosophie, der Theaterwissenschaft oder der Medienpädagogik.

Der Herausgeber Jens Schröter ist Professor für Theorie und Praxis multimedialer Systeme am Medienwissenschaftlichen Seminar der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen. Er hat – und allein das nötigt mir großen Respekt ab – die Mitarbeit von insgesamt 80 Autorinnen und Autoren koordiniert. Ihre Texte sind in der Regel gut lesbar, sie bauen Brücken auch zu schwerer verständlichen Bereichen und geben in den Literaturlisten auch Quellen der letzten Jahre zur Kenntnis. Die große Erfahrung und Kompetenz von Ute Hechtfischer im Hause J. B. Metzler war mit Sicherheit eine Voraussetzung für das Erscheinen des Buches.

Mit vier Texten zum Medienbegriff, zu den Medienwissenschaften und ihrer Geschichte, zu den Medienwissenschaftlichen Fachgesellschaften (in Deutschland ist die „Gesellschaft für Medienwissenschaft“ besonders wichtig) und zum aktuellen Stand der Medienwissenschaft im Kontext der Kulturwissenschaft gibt das erste Kapitel einige Basisinformationen.

Das zweite Kapitel umfasst 23 Texte zu Medientheorien. Um das Spektrum deutlich zu machen, liste ich sie konkret auf: Implizite Medientheorien in der Philosophie; Semiotik/Dekonstruktion; Phänomenologische Medientheorien; die Kanadische Schule; Medientheorien des High Modernism; Informationstheorie/Kybernetik; Kommunikationswissenschaftliche Medientheorien; Marxistische Medientheorien; Kritische Medientheorien; Postmoderne Medientheorien; Systemtheoretische und konstruktivistische Medientheorien; Psychoanalytische Medientheorien; Medienarchäologie; Diskursökonomie; Akteur-Medien-Theorie; Mediologie; Medienmorphologie; Negative Medientheorien; Medien und Kulturtechniken; Modelle des Medienwandels und der Mediengeschichtsschreibung; Mediatisierung/Medialisierung; Intermedialität, remediation, Multimedia; Medientheorien der Medien selbst. Auf 170 Seiten sind die Informationen zu diesen Themen fokussiert, und auch wenn manche Begriffe sehr speziell klingen, findet man viele nützliche Hinweise und Erklärungen.

Im dritten Kapitel geht es auf 160 Seiten um die Einzelmedien. Das sind hier – nach einer Darstellung der Basismedien Bild, Klang, Text, Zahl, Geste – konkret: Diagramm/Diagrammatik, Trance-Medien/Personale Medien; Textile Medien; Geld; Brief/Post; Printmedien; Comics; Telefon/Telegraphie; Fotografie; Klangmedien; Film; Radio; Fernsehen/Video/DVD; Computer als Schriftmedium; Computer als Bildmedium; Computer als Klangmedium; Internet; Computerspiele; Mobile Medien; Dreidimensionale Bilder; Quantencomputer/Quantenkryptographie.

Und im vierten Kapitel kommen schließlich auf 180 Seiten die „Schnittstellen“ zur Sprache. Das sind in der Regel eigenständige Wissenschaftsbereiche, die spezielle Medienbezüge haben. Im Handbuch werden 27 konkret behandelt: Theologie; Medienphilosophie; Medienanthropologie; Medienethnologie/ Medienethnographie; Medien und Evolutionstheorie; Geschichtswissenschaft; Kunstwissenschaft/Bildwissenschaft; Sprachwissenschaft; Literaturwissenschaft; Theaterwissenschaft; Musikwissenschaft/Sound Studies; Tanzwissenschaft; Kommunikationsforschung/Medienwirkungsforschung; Politikwissenschaft; Medienökonomie; Medienunternehmen; Medienrecht; Medienpsychologie; Mediensoziologie; Medienpädagogik; Medieninformatik; Digital Humanities; Cultural Studies; Postcolonial Studies; Gender Studies; Wissenschaftsforschung; Designwissenschaft.

Unter den Autoren des Buches findet man mindestens sechs, die eine große Filmaffinität haben: Lorenz Engell, Malte Hagener, Vinzenz Hediger, Dietmar Kammerer, Ivo Ritzer, Marcus Stiglegger. Hagener hat zusammen mit Kammerer den Text über das Einzelmedium Film verfasst. Von Engell stammen die Erläuterungen über Medientheorien der Medien selbst. Hediger informiert über die medienwissenschaftlichen Fachgesellschaften. Ritzer und Stiglegger sind an dem Essay über Medienanthropologie beteiligt.

Es ist sicherlich sinnvoll, den Film gelegentlich in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Dies tut das „Handbuch Medienwissenschaft“ auf höchst seriöse Weise. Im nächsten Monat gibt es dann wieder die Empfehlung für ein „richtiges“ Filmbuch.