Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
September 2017

1. 50 Jahre 50 Filme
Hrsg.: Juliane A. Arens, Judith Früh und Judith Westermann
München, edition text + kritik 2017
136 S., 19,90 €
ISBN: 978-3-86916-559-2
2. Vom Widerstand des Geräts
Hrsg.: Peter C. Slansky
München: edition text + kritik 2017
144 S., 19,90 €
ISBN: 978-3-86916-558-5

Juliane A. Ahrens/Judith Früh/Judith Westermann/Peter C. Slansky (Hg.) :
1. 50 Jahre 50 Filme 2. Vom Widerstand des Geräts

Im November 1967 wurde die Hochschule für Fernsehen und Film in München eröffnet, sie feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Die Festlichkeiten sind über mehrere Monate verteilt, zum Jubiläum sind zwei Bücher erschienen, in denen Absolventinnen und Absolventen der Hochschule gewürdigt werden. Im einen Band geht es um fünfzig ausgewählte Filme, im anderen um fünfzig technische Geräte, die für die Studentinnen und Studenten eine wichtige Rolle gespielt haben.

Rund 4.000 Filme sind in den vergangenen fünfzig Jahren an der Münchner Hoch­schule für Fernsehen und Film entstanden. Die drei Herausgeberinnen des Buches „50 Jahre – 50 Filme“, Juliane A. Ahrens, Judith Früh und Judith Westermann, nennen ihre Auswahl „unverschämt“ und Michaela Krützen fügt in ihrem Grußwort noch ein paar Synonyme hinzu: anmaßend, dreist, frech, ungehörig. So schützt man sich offensiv gegen mögliche Vorwürfe der Subjektivität. Wenn für jedes Jahr nur ein einziger Film auszuwählen ist, dann kann man nur radikal zuspitzen. Die Heraus­geberinnen haben in den vergangenen drei Jahren harte Arbeit geleistet: sie haben hunderte von Filmen katalogisiert und gesichtet, sie haben versucht, die Film­gattungen, die Geschlechter, die Jahrgänge in ein Verhältnis zu setzen. Und am Ende Entscheidungen getroffen.

Auf jeweils zwei Seiten werden fünfzig Filme in Texten und Bildern in Erinnerung gerufen, auf der linken Seite findet man die wichtigsten Informationen zum Film, auf der rechten den persönlichen Kommentar einer Absolventin oder eines Absolventen, die mit der Produktion nicht verbunden waren und den Film aus heutiger Sicht bewerten. Am rechten Rand werden Zitate aus der Presse, aus Jurybegründungen oder aus Kommentaren der FBW dokumentiert. Und eine Zeitleiste führt uns auf den Seiten durch die Festivalbeteiligungen von HFF-Filmen in den vergangenen fünfzig Jahren. Das ist gut gestaltet, informativ und gibt der Auswahl einen Rahmen.

Ich nenne jetzt zwölf Filme, bei denen mich die Wahl und der dazugehörige Text besonders überzeugt haben: DER ERSTE FILM (1967), ein Fragment, an dem zahlreiche Studierende des A-Kurses beteiligt waren, mit einem Text von Benjamin Heisenberg. ALABAMA – 2000 LIGHT YEARS (1969) von Wim Wenders, Text von Tim Fehlbaum. DARK SPRING (1970) von Ingemo Engström, Text von Felix von Poser, LEAVE ME ALONE – WHY DID YOU LEAVE AMERICA ? (1971) von Gerhard Theuring, Text von Anno Saul. SPRICH ZU MIR WIE DER REGEN (1975) von Douglas Sirk und Hajo Gies, Text von Caroline Link. DER KOSTBARE GAST (1979) von Dominik Graf, Text von Hans Steinbichler. DER KRIEG MEINES VATERS (1985) von Nico Hofmann, Text von Benjamin Herrmann. STACHOVIAK! (1988) von Philip Gröning, Text von Heiner Stadler. STEP ACROSS THE BORDER (1990) von Nicolas Humbert und Werner Penzel, Text von Thomas Riedelsheimer. ABGESCHMINKT! (1993) von Katja von Garnier, Text von Amelie Fried. DIE GESCHICHTE VOM WEINENDEN KAMEL (2003) von Byambasuren Davaa und Luigi Falomi, Text von Uschi Reich. DER WALD VOR LAUTER BÄUMEN (2004) von Maren Ade, Text von Christoph Fromm. Die Auswahl meiner zwölf Filme halte ich nicht für unverschämt, aber für subjektiv.

Ich erinnere mich noch an viele HFF-Filme aus den 70er Jahren und nenne einige, die mir persönlich in dem Jubiläums-Buch fehlen: ZEHN JAHRE DANACH (1970) von Michael Hild, MORD IST KEIN GESCHÄFT (1971) von Peter F. Bringmann, VON DEN LEHRJAHREN, DIE SCHON JAHRE FÜR DIE HERREN SIND (1971) von Rainer Gansera, HUCKINGER MÄRZ (1973) von Christoph Hübner, DER LANGE ATEM (1977) von Christoph Boekel, DER ERSTE WALZER (1978) von Doris Dörrie, NAH BEIM SCHAH (1978) von Wolfgang Landgraeber, BARANSKI (1979) von Werner Masten. Die Herausgeberinnen haben trotzdem meinen vollen Respekt für ihre Auswahl-Entscheidung.

Erinnert sei im Übrigen an das Buch „Bilder wilder Jahre“ über die HFF-Filme 1967-1979, das Judith Früh und Helen Simon 2011 herausgegeben haben, gefolgt von dem Band „Bilder aus der Zeit dazwischen“ über die HFF-Filme der 80er Jahre, herausgegeben von Judith Früh und Catalina Torres 2014. Die Geschichte der Münchner HFF ist deutlich besser dokumentiert als die Geschichte der Berliner DFFB.

Den zweiten Band zum Jubiläum der HFF hat Peter C. Slansky herausgegeben, Leiter der Technikabteilung des Hauses: „Vom Widerstand des Geräts“. Fünfzig Absolventinnen und Absolventen haben sich jeweils für ein filmtechnisches Gerät entschieden, das im Rahmen der Ausbildung für sie eine besondere Bedeutung hatte. Fotos zeigen sie im Umgang damit. Beispielweise: Doris Dörrie mit dem ARRI Blimp 300 aus dem Baujahr 1958, Axel Block mit einem Kamerastativ mit Schwenkkopf, Heiner Stadler mit der ARRIFLEX 16 ST aus dem Jahr 1955, Hans Beller am Steenbeck-Schneidetisch 901, Wolfgang Landgraeber mit einer Schwarz-Weiß-Videokamera und Recorder aus dem Jahr 1970, Rainer Kaufmann mit einem Janebeam-Scheinwerfer im Dreifach-Koffer, Ulrich Limmer mit einer Filmkassette der ARRIFLEX 16 BL, Caroline Link mit einem 16-mm-Filmprojektor von Siemens, Jakob Claussen mit einer Kudelski Nagra III, Florian Gallenberger mit einer Tonangel, Hans Steinbichler mit einer ARRIFLEX 35 II C, Thomas Riedelsheimer mit einer Sony DXC-M3A-Videokamera. In Texten oder Gesprächen äußern sich die fünfzig Absol­ventinnen und Absolventen zu dem jeweiligen Gerät. Peter C. Slansky hat sie foto­grafiert und den Band zusammengestellt. Mit einem Vorwort der Präsidentin Bettina Reitz.

Noch eine Erinnerung: mein Filmbuch des Jahres 2011 stammte ebenfalls von Peter C. Slansky und gab eines Überblick über Geschichte, Typologie und Architektur der Filmhochschulen in Deutschland: filmhochschulen-in-deutschland/ . Es ist auch nach sechs Jahren noch lesenswert.

Der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film gratuliere ich zu ihrem 50. Geburtstag und freue mich über ihr historisches Bewusstsein.

Mehr zu den Büchern: Waq04iiJbV4 + Waq1GCiJbV4