Aktuelles
20. Oktober 2015

Christoph Schlingensief

In der Akademie der Künste wird heute Abend der Konrad Wolf-Preis verliehen. In diesem Jahr ist dafür die Sektion Film- und Medienkunst zuständig. Die Jury (Alexander Horwath, Naum Kleeman, Georg Seeßlen) hat entschieden, dass mit dem Preis posthum Christoph Schlingensief geehrt wird; die Jury unterscheidet dabei zwischen einer geistigen (Schlingensief) und einer materiellen Dimension (das Operndorf in Burkina Faso). Laudator ist Georg Seeßlen, den Preis nimmt Aino Laberenz, die Geschäftsführerin des Operndorfes entgegen. Moderiert wird die Veranstaltung vom Abteilungsdirektor Rosa von Praunheim. Anschließend wird der Film KNISTERN DER ZEIT – CHRISTOPH SCHLINGENSIEF UND SEIN OPERNDORF IN BURKINA FASO von Sibylle Dahrendorf gezeigt.

2015.SchlingensiefGeorg Seeßlens Buch „Der Filmemacher Christoph Schlingensief“ ist soeben im Getidan-Verlag erschienen. Es ist die erste Publikation, die sich speziell mit den Filmen des vielseitigen Künstlers auseinandersetzt. Die Einführung stammt von Dietrich Kuhlbrodt, der in vielen Schlingensief-Filmen mitgewirkt hat. In einem „Vorneweg“ geht es um die Frage „Wie man das Unsichtbare sichtbar macht“. Drei Kapitel strukturieren das Buch: I. Das Leben und das Kino. II. Die Filme. III. Die Kunst und das Leben. Kernpunkte im ersten Kapitel sind der Konflikt-Mythos, das Akausale, die Hysterie, das offene Kunstwerk, Fluxus und Film; ein Exkurs erzählt vom spielenden Kind, eine spezielle Bemerkung kommentiert die Anwesenheit des Künstlers in seinem Werk. Die Filmbeschreibungen sind kluge Interpretationen vor allem der zehn langen Filme aus den Jahren 1984 bis 1997; zu den bekanntesten Filmen gehören 100 TAGE ADOLF HITLER, DAS DEUTSCHE KETTENSÄGENMASSAKER und TERROR 2000. Im dritten Kapitel wird summiert und Bilanz gezogen: „Der gescheiterte Filmemacher“, „Vom Film zum Theater, in die Wirklichkeit und ins Fernsehen, und dann ins Museum“, „Tief unten: Drei Schlingensief-Motive“, „Exkurs über das Vulgäre“. Ein Ausblick heißt schließlich: „Von Christoph lernen, heißt scheitern lernen“. Seeßlen ist mit Schlingensiefs Filmen und seinem Leben bestens vertraut, er zitiert hier und da die posthum erschienene Autobiografie „Ich weiß, ich war’s“ (2012), aber er ist sprachlich und gedanklich so nah an Schlingensiefs Werk, dass man diese Nähe im Text unmittelbar spürt. Bewundernswert! Dokumentiert ist am Ende auch die Laudatio anlässlich der Übergabe des Helmut Käutner-Preises 2010. Mehr zum Buch: christoph-schlingensief

2015.DVD.Ausländer rausPaul Poet hat 2001-03 einen Dokumentarfilm über Christoph Schlingensief realisiert, der jetzt als DVD bei der Filmgalerie 451 erschienen ist. AUSLÄNDER RAUS zeigt eine Installation im Rahmen der Wiener Fest-wochen: „Schlingensiefs Container“. Direkt vor der Staatsoper hatte Schlingensief damals einen Wohncontainer aufgestellt, der von zwölf Asylanten bewohnt wurde. Im Internet sollten die Zuschauer darüber abstimmen, in welcher Reihenfolge die Asylanten „abgeschoben“ werden sollten. Das Projekt wurde u.a. von Elfriede Jelinek, Daniel Cohn-Benit, Gregor Gysi und Luc Bondy unterstützt. Es war eine Aktion gegen die damalige Regierungsbeteiligung der FPÖ. Die Reaktionen der Wiener Öffentlichkeit waren gespalten. Dies dokumentiert der Film eindrucksvoll. Schlingensief agierte souverän am Container und in den Medien. Er sagte später über Poets Dokumentation: „Dies ist der absolut beste Film über mich!“. Mehr zur DVD: schlingensiefs-container/