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05. August 2015

Das Kino und die Perspektive der Migration

2015.V:ErkennungsdiensteDie Autorin dieser Disser-tation (Humboldt-Universität Berlin) wirft einen neuen und sehr eigenständigen Blick vor allem auf deutsche Spielfilme, in denen eine oder mehrere Personen mit Migrations-hintergrund als Protago-nisten eine zentrale Rolle spielen. Ihre fünf Kapitel haben die Titel „Beredtes Schweigen, sichtbares Reden – die V/Erkennungsdienste des deutschen Ausländer-diskurses“, „Hindurchgehen: Den Erzählungen Raum und Zeit geben“, „Un/Sichtbar-keiten“, „Oberflächen und Subkutanes: Blut, Sex, Haut(farbe)“, „Die Perspektive der Migration“. Das Film-/Video-Verzeichnis am Ende des Bandes listet 137 Titel auf. Ich nenne einige Filme, deren Analyse mich besonders beeindruckt hat: SHIRINS HOCHZEIT von Helma Sanders-Brahms, 40 QM DEUTSCHLAND von Tefvik Baser, ANGST ESSEN SEELE AUF von Rainer Werner Fassbinder, HAPPY BIRTHDAY, TÜRKE! von Doris Dörrie, GEGEN DIE WAND von Fatih Akin und vor allem die Trilogie GESCHWISTER, DEALER und DER SCHÖNE TAG von Thomas Arslan. Nanna Heidenreich beobachtet sehr genau Szenenabläufe und Ausdrucksweisen, kann Bilder und Dialoge mit ihren Subtexten lesen und daraus Schlüsse für ihre Thesen ziehen. Sie setzt sich intensiv mit der filmwissenschaftlichen und filmkritischen Rezeption auseinander, die sie immer wieder in Frage stellt. Am Ende wechselt sie noch vom Spielfilm zur Videokunst, wo innovative Formen zu entdecken sind. Ihr Schlussabsatz lautet: „Nimmt man Migration als soziale und politische Bewegung ernst, als eine Bewegung, die das Politische grundsätzlich rekonfiguriert, und begreift man Migration nicht als etwas Abzubildendes, sondern als Ereignis, so eröffnet sich damit auch für die Frage der Relation von Kunst beziehungsweise Kino und politischen Kämpfen eine andere Perspektive. Diese – die Perspektive der Migration – ist bereits im Bilde. Es gilt jedoch, sie wahrzunehmen und ästhetisch und politisch zu aktivieren.“ (S. 322). Viele Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: die-perspektive-der-migration?c=738_