26. März 2015
Mein Film über mich
„First-Person Documentary“ ist eine Filmform, in der sich der Filmemacher (die Filmemacherin) selbst in den Mittelpunkt stellt. Er/sie nutzt das Medium, um von sich selbst zu erzählen. Warum tut das jemand? Was passiert vor der Kamera, wenn man sich selbst thematisiert? Welches Interesse wird dafür beim Publikum erwartet? Janine Weißer-Gleißberg hat dies in ihrer Masterarbeit an der Hochschule Hannover wissenschaftlich untersucht und ist zu interessanten Ergebnissen gelangt. Filme über sich selbst entstehen vor allem an den Filmhochschulen, wo die Themenwahl noch eigenverantwortlich geschieht und nicht von Aufträgen abhängt. Drei Filmbeispiele stehen im Mittelpunkt der Arbeit: ALLEINE TANZEN von Biene Pilavci (produziert an der dffb in Berlin), LOVE ALIEN von Wolfram Huke (HFF München) und SCHILDKRÖTENWUT von Pary El-Qualquili (ebenfalls HFF München). Alle drei Filme entstanden 2012. Sie sind Versuche der Selbsterforschung, haben durchaus eine therapeutische Zielrichtung, sie nutzen Kamera und Ton, um ihre Subjektivität zu vermitteln. Die Offenheit der Protagonisten stellt wohl auch eine Nähe zum Zuschauer her. Bei dem Film SCHILDKRÖTENWUT geht es vor allem um die Rolle des Vaters der Filmemacherin, der aus Palästina nach Berlin kam und in seine Heimat zurückkehrt. In ALLEINE TANZEN nutzt die Filmemacherin Homevideos aus ihrer Kindheit, um ihre Identitätssuche zu konkretisieren. In LOVE ALIEN problematisiert der Filmemacher seinen Willen und seine Unfähigkeit, eine Beziehung einzugehen. Von den drei Beispielen erscheint er mir als der schwierigste und verstörendste Film, weil er als Selbstdarstellung konzipiert ist. Die Autorin analysiert sehr konkret, ihre Erkenntnisse wirken nachvollziehbar. Eine spannende Lektüre. Mehr zum Buch: mein-film-ueber-mich