Texte & Reden
23. Oktober 2008

Rosa von Praunheim

Laudatio zum Hofer Filmpreis

Was Sie schon immer über Rosa von Praunheim wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten.

Rosa und die Männer – Er braucht sie. Vor allem für den Sex, aber auch für intelligente Gespräche. An Männern arbeitet er sich ab.

Rosa und die Frauen – Sie sind für sein Leben mindestens so wichtig wie die Männer. Das beginnt schon mit der Geburt. Er braucht zwei Mütter. Eine, die ihn zur Welt bringt,und eine, die ihn lieb hat und versorgt. Edith und Gertrud sei Dank, dass es ihn gibt. Und was wäre Rosa ohne Luzi und Lotti und Evelyn und Charlotte und Helene? Was wären seine Filme ohne Elfi, die Frau hinter der Kamera? Ohne Lilly am Tongerät? Vielleicht ist Rosa ja nicht nur eine Farbe, sondern in Wahrheit ein Mann und eine Frau.

Rosa und seine Philosophie – Zitat: „Alle Menschen sind gut, alles was wir tun ist richtig, jeder hat das Recht auf der Welt zu sein. Es gibt keine Moral und keine Bedeutung. Alles ist wie es ist.“

Rosa und der Himmel – Er glaubt nicht an den lieben Gott, aber er weiß, dass dort oben im Himmel mindestens vier Engel sitzen, die schützend die Hand über ihn halten. Sie heißen Gertrud und Edith, Luzi und Lotti. Bei Evelyn bin ich mir da nicht so sicher.

Rosa und die Hölle – Wartet nur ab, im nächsten Jahr werdet Ihr sehen, was in der Hölle wirklich passiert. Rosa dreht dort zur Zeit seinen neuen Film.

Rosa und der Kommunismus – Rosa glaubt nicht an Gott. Und so hat er auch nie an irgendeine Art von Kommunismus geglaubt. Er war kein Stalinist, kein Trotzkist, kein Maoist, Magnus Hirschfeld war ihm immer näher als Marx und Engels. Jeder hat das Recht, auf der Welt zu sein, aber es sind natürlich nicht alle gleich. Das ist doch wohl klar.

Rosa und der Nationalsozialismus – Das ist eine Hassbe-ziehung. Nicht mal die schwulen Nazis haben bei ihm eine Chance.

Rosa und die Rente – Seit er 65 geworden ist, kriegt er knapp 300 € im Monat. Die Restkosten fürs Leben muss er sich durch Arbeit verdienen.

Rosa und das Geld – Er ist kein Millionär. Er braucht Geld zum Leben. Er hat immer was in der Tasche. Er ist nicht sparsam. Er ist fleißig. Er hat inzwischen 70 Filme gedreht. Auch, um nicht zu verhungern.

Rosa und das Essen – Er isst, was auf den Tisch kommt. Egal, was da steht. Ich kenne niemanden, der weniger ein Feinschmecker ist.

Rosa und das Kochen – Ich sehe da keinerlei produktiven Zusammenhang, weil Rosa der lausigste Koch ist, den man sich vorstellen kann. Aber dank der Initiative eines privaten Fernseh-senders gerät er bei Kochwettbewerben neuerdings auf die vorderen Ränge. Ich halte das für einen unlauteren Wettbewerb. Der kann doch noch nicht mal ne Wurst braten.

Rosa und Mike – Mike ist ein Schatz. Und er schneidet Rosas Filme so raffiniert, dass man kaum noch ihre Schwächen sieht.

Rosa und sein Anrufbeantworter – Wenn er nicht zu Hause ist, meldet sich seine Stimme und sagt Dinge, über die man so lachen muss, dass man nichts vernünftiges hinterlassen kann. Wählen Sie einfach mal 030 – 883 54 96. Zum Beispiel jetzt, wo er mit Sicherheit nicht zu Hause ist.

Rosa und die Tiere – Sein Lieblingstier ist die Schlange. Also Vorsicht in seiner Wohnung! Er schwärmt von Kühen, die geschwän-gert im Nebel stehen.Und von Katern lässt er sich gern streicheln. Er mag Schweine, wenn sie fliegen können, und Ratten wegen der kleinen Augen.Nur bellende Hunde sind ihm unangenehm.

Rosa und die Drogen – Er nimmt keinen Stoff, er raucht nicht, er trinkt ja nicht mal Alkohol.Ein echter Drogenversager.

Rosa und die Weihnachtsgeschenke – Spätestens zu Ostern fragt er seine Freunde, ob sie schon Weihnachtsgeschenke gekauft haben. Er selbst schenkt gerne – das ganze Jahr über. Alles Mögliche, nur keine nützlichen Dinge.

Rosa als Lehrer – Einer DFFB-Studentin hat er mal eine geschal-lert. Seine HFF-Studenten hat er von Potsdam nach Hollywood, nach Kalkutta und in den Knast geschickt. Rosa ist ein Pädagoge alter Schule. Er straft und belohnt. Aus seinen Schülern wird was Gutes oder gar nichts.

Rosa und das Kartenspiel – Das glaubt einem doch keiner, dass Rosa von Praunheim seit zehn Jahren fast jede Woche Skat spielt. Skat! Das klingt ja wie Stammtisch, aber er spielt es mit Leidenschaft und Intelligenz. Um einen halben Cent pro Punkt. Aus der Kasse wird alle zwei Jahre der Helene Schwarz-Preis finanziert. Gespielt wird Bock und Ramsch, Rosa setzt auf Risiko, bei Grand Hand, offen und rausge-legt, kann er anschließend tirilieren. Kürzlich hat er zunächst auf einen Schlag 1.440 Punkte verloren. Und eine halbe Stunde später 1.440 Punkte gewonnen. Das haben wir nach Altenburg gemeldet, es könnte internationale Skatgeschichte machen.

Rosa und das Schachspiel – Sein Gegner ist der Computer. Rosa verliert immer, weil er den Computer auf die höchste Stufe eingestellt hat und nicht mehr weiß, wie man das verändern kann.

Rosa und Fußball – 0 : 0

Rosa und das Auto – Er fährt mit und tut im Auto alles Mögliche, nur lenken kann er nicht, denn er hat keinen Führerschein.

Rosa und sein Tagebuch – Er führt ein öffentliches im Internet und ein geheimes auf Papier. Demnächst macht er das geheime öffent-lich, weil er nichts geheim halten kann.

Rosa und die Vertraulichkeit – Man darf ihm nichts unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählen. Er ist die größte Plaudertasche, die ich kenne. Wenn jemand schnell ein Gerücht verbreiten will, sollte er es Rosa anvertrauen mit dem Hinweis, er möge es nicht weiterer-zählen. Nur die Nachricht von Heinz, er, Rosa, werde heute den Hofer Filmpreis bekommen, hat er bis zuletzt vertraulich behandelt. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat.

Rosa und die Wahrheit – Natürlich darf man ihm nicht alles glauben.

Rosa und Riga – Dort wurde er 1942 geboren. Und was dort sonst noch passierte, konnte man  in seinem Film MEINE MÜTTER  sehen.

Rosa und Praunheim – Er hat dort nicht sehr lange gelebt, aber den Ort über Frankfurts Grenzen hinaus bekannt gemacht.

Rosa und Berlin – Er freut sich natürlich, dass der Bürgermeister schwul ist. Andererseits wohnt er in Wilmersdorf, wo eher die spießigen Witwen zuhause sind. In Rosas Leben gibt es viele Widersprüche.

Rosa und New York – Er liebte die Stadt in den siebziger Jahren. Als es noch einen Underground gab und Hoffnungen auf die verrücktesten Alternativen. Seit Reagan und Clinton, spätestens seit Giuliano und Bush ist New York nicht mehr Rosas New York. Andererseits will er immer wieder hin. Widersprüche…

Rosa und Hof – Seine Beziehung zum Festival von Heinz beginnt 1969, mit dem Film Rosa Arbeiter auf goldener Straße, aber daran kann sich nur Heinz erinnern. Die Premiere von Unsere Leichen leben noch  fand 1981 ohne ihn statt.  1989, zur Premiere von Überleben in New York, war Rosa zum ersten Mal hier. Seither kommt er regelmäßig, weil Heinz ein Fan von Rosa ist.

Rosa, Du liebst inzwischen die Hofer Filmtage, und die Hofer Filmtage lieben Dich.Deshalb kriegst Du heute endlich den Hofer Filmpreis.

Laudatio,  Verleihung des  Hofer Filmpreises, 23. Oktober 2008, Spiegelsaal der Gartengesellschaft