Helke Sander 70

Begrüßung in der Akademie der Künste

 

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, sehr geehrter Herr Senator, meine Damen und Herren, liebe Helke.

Herzlich willkommen in der Akademie der Künste zu einer Feier für Helke Sander – nicht nur zum 70. Ein Mehrwert ergibt sich schon daraus, dass wir dieses Ereignis nicht am 31. Januar gefeiert, sondern bis zum 1. April gewartet haben: einem sonnigen Frühlingstag, an dem, wie man sieht, auch diese Stadt voll neuer Energien ist: sportlich, fröhlich und guter Dinge.

Wenn Freundinnen, Freunde und Weggefährten sich in zunehmendem Alter treffen, überlegen sie gern, wie lange sie sich nun schon kennen. Liebe Helke, wir kennen uns seit 38 Jahren. Als ich im Frühjahr 1969 als Studienleiter an die DFFB kam, warst Du schon da. Als Studentin des ersten Jahrgangs hattest Du dort eine feste, selbstbewusste Position: Filmemacherin, Frau, Mutter.

Als junger Vater und eher schüchtern – unsere Freundin Helene Schwarz erinnert sich – habe ich sicher mehr von Dir gelernt als Du von mir. brecht die macht der manipulateure hieß der erste Film, den ich von Dir gesehen habe. Ich kam vom Institut für Publizistik der FU, auch dort wurde über den Springerverlag gearbeitet und gegen ihn agitiert, aber Dein Film war konkreter, anschaulicher, nützlicher.

Und dass Kinder keine Rinder sind, hat mir natürlich auch eingeleuchtet. So war die Filmakademie vielleicht für uns beide ein Ort umfassenderer Bildung, nicht nur im Blick auf den Film, sein Handwerk und seine Geschichte.

Als ich Mitte der neunziger Jahre zur Akademie der Künste kam, warst Du schon weg. Fünf Jahre lang hast Du als Mitglied der Abteilung „Film- und Medienkunst“ versucht, Reformen zu initiieren, den Anteil der Frauen zu vergrößern und einige Patriarchen in ihrem Weltbild zu erschüttern. Ich weiß das aus Protokollen und Briefen der Jahre 1989/90. Ulrich Gregor, der damals schon dabei war, wird sich daran erinnern. Als sich im Verein der älteren Herren nichts bewegte, hast du im Herbst 1990 die Akademie demonstrativ verlassen. Vielleicht hatte das als Signal doch einige Wirkung.

Inzwischen hat sich in der Akademie manches bewegt, der Anteil der Frauen ist größer geworden, wir haben sogar eine Vizepräsidentin. Eine Akademie, in der die Frauen das Sagen haben, ist es allerdings noch nicht. Wie schön, dass wir Dich heute trotzdem in diesem Haus feiern können.

Übrigens habe ich noch etwas von Dir gelernt: dass man Filme mit einem ganz eigenen, anderen Blick sehen kann. 1974 hast Du die Zeitschrift Frauen und Film gegründet. Das erste Heft, DIN-A-4, blau, von Matrizen abgezogen, war noch ein Provisorium. Mit der Nummer 2 begann die professionelle Karriere der Zeitschrift.

Das Heft enthielt einen 40 Seiten langen Text von Dir und Renée Schlesier über den Film die legende von paul und paula. Überschrift: „Eine frauenverachtende Schnulze aus der DDR“. Es war eine gnadenlose Analyse aus feministischer Sicht. Ich mochte den Film, fand ihn mutig im Kontext der DEFA-Produktion der frühen siebziger Jahre und war konsterniert über Euren Befund. Der Text war so genau gearbeitet, dass man ihn als eine mögliche Sicht auf den Film respektieren musste. Er ist mir insofern sehr in Erinnerung geblieben.

Und die Zeitschrift Frauen und Film gibt es noch immer, auch wenn Du nicht mehr als Herausgeberin tätig bist. Du hast in Deinem Leben viel initiiert und deutliche Spuren gelegt.

Begrüßungen sollen ja eigentlich einen eher allgemeinen Charakter haben. Nun bin ich doch sehr persönlich und subjektiv geworden. Ich freue mich, dass Sie alle heute gekommen sind, und bin gespannt auf die weiteren Reden.

Unser Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Harald Wolf, spricht nun über das Jahr 68: „Aufbruch auch für Männer!“ Mit Ausrufezeichen.

Berlin, Akademie der Künste, Pariser Platz, 1. April 2007