Texte & Reden
01. September 1996

Helene Schwarz

Beitrag zur DFFB-Jubiläumsbroschüre „Momente des Lernens“

Zunächst hieß ihre Position „Sachbearbeiterin für Studienangelegen-heiten“, später wurde sie Assistentin des Studienleiters. Sie hatte ein Zimmer mit Vogelkäfig und Fotowand. Irgendwann verschwand der Käfig, die Fotowand nahm sie in ihre wechselnden Büros mit. Auf dem Schreibtisch standen immer auch persönliche Dinge, Spielereien, Schnickschnack. In ihrem Zimmer wurde viel geredet. Oft zitiert ist die Metapher: sie sei das Herz der Akademie. Weil sie von Anfang an dabei war und für viele zur wichtigsten Vertrauensperson wurde, gilt sie auch als das Gedächtnis der Akademie. Vertrauen gewinnt man mit einem weiten Herz, mit Aufmerksamkeit auch für das Persönliche, mit vermittelnden, helfenden, beratenden Gesten, mit Offenheit und Diskretion. Die Neugierde auf immer neue Studenten, Dozenten und Gäste darf dabei nicht erlahmen. Natürlich ist solche Freundlichkeit nicht gratis. Sie muß gedankt und erwidert werden. Wir waren damals zu zweit in der Studienleitung, die Zusammenarbeit war eng, vertrauensvoll und wurde von anderen Abteilungen nicht ohne Konkurrenzneid beobachtet. Daß ich auch in konfliktreichen Zeiten jeden Morgen gern ins Büro ging, hatte vor allem mit ihr zu tun. Am angenehmsten war die erste Morgenstunde, das auf den Tag einstimmende Gespräch. Wir hatten einen ziemlich unbegrenzten Themenvorrat, eine gemeinsame Vorliebe für erzählende Literatur (speziell: Kriminalromane), für bestimmte Filme und Fernseh-sendungen. Wir dachten uns gezielte Aktivitäten aus (dffb-info, Filmreihen und Materialien dazu). Und schließlich gab es die von ihr gegründete Skatrunde, zu der vor allem Dozenten, Absolventen und Gäste zugelassen waren. Studenten wollten wir keine Geldverluste zumuten. Natürlich hatten wir über manche Studenten ein unterschied-liches Urteil. Neben der spontanen Vergabe von Sympathie funktio-nierte bei ihr vor allem der Gerechtigkeitssinn als Regulativ für Zuneigung oder Abneigung. Wer sich an der Akademie auf Kosten anderer individuelle Vorteile verschaffte, wer dort seine Chancen aus Faulheit oder Desinteresse nicht nutzte, hatte es sich bei ihr schnell und definitiv verscherzt. Da konnte sie und kann sie gnadenlos sein. Sie hat eine große Fähigkeit zu spontaner, sichtbarer Freude, sie geht auf Menschen zu, auch auf die eher schüchternen. Das war damals meine Chance. Wir haben uns bis zu unserem letzten gemeinsamen Arbeitstag in der DFFB-Studienleitung, dem 30. Juni 1979, gesiezt.

Die siebziger Jahre an der DFFB – das waren meine Universitäten. Ich habe viel von den Studenten gelernt. Von ihrer Rigorosität, ihrer Egomanie, ihrem Gruppengeist und ihrer individuellen Kraft. Ich habe von den Filmen gelernt, die dort gemacht und gezeigt wurden. Aber die intensivsten Momente des Lernens damals in der Pommernallee 1, 5. Stock, bleiben für mich verbunden mit Heinz Rathsack, Helene Schwarz und Klaus Wildenhahn.

In: Reinhard Hauff (Hg.): Momente des Lernens.  Berlin: DFFB 1996.