KÄMPFENDE HERZEN (1921)

Filmeinführung in Hongkong

Fritz Lang war einer der großen deutschen Regisseure. In Wien  geboren, machte er 1912 eine Weltreise, bei der nicht auszuschließen ist, dass sie ihn auch über Hongkong geführt hat. Ab 1918 lebte Fritz Lang in Berlin. Er drehte hier bis 1933 15 Filme und verließ dann Deutschland wegen seiner jüdischen Abstammung. In Amerika konnte er seine Filmarbeit fortsetzen.

Fünf frühe deutsche Filme von Fritz Lang galten seit langem als verloren: halbblut, der herr der liebe, harakiri, das wandernde bild und kämpfende herzen oderDIE VIER UM DIE FRAU.

Es ist der Traum jedes Filmarchivars, irgendwann irgendwo einen verschollen geglaubten alten Film zu entdecken. Natürlich gibt es an verschiedenen Stellen in der Welt noch geheime Schätze. Aber die Wahrscheinlichkeit, dort einen vor Jahrzehnten verloren gegangenen  Edelstein – zum Beispiel einen Fritz Lang-Film – zu finden, ist nicht sehr groß.

Mitte der achtziger Jahre gab es in dieser Hinsicht eine Glückssträhne. Zunächst wurde 1985 in Amsterdam eine Kopie des Films harakiri entdeckt. Sie stammte von einem holländischen Verleih und hatte mit verschiedenen anderen deutschen Stummfilmen der frühen Zeit alle politischen Wirren überlebt. Sie wurde restauriert, umkopiert und dann neugierig von Filmhistorikern beäugt: tatsächlich, das war ein Fritz-Lang-Film, den niemand von uns bisher gesehen hatte.

1986 erreichte uns in Berlin die Nachricht, dass die Kollegen der Cinemateca Brasileira in Sao Paolo in ihrem Archiv zwanzig Stummfilme vermutlich deutscher Herkunft entdeckt hatten. Sie erhofften sich von uns Hilfe bei der Identifizierung. Ein Mitarbeiter der Kinemathek fuhr nach Sao Paolo. Er prüfte dort das Material, das sich in keinem guten Zustand befand. Es handelte sich um Nitrokopien, die zum Teil stark geschrumpft waren und nicht einmal am Schneidetisch besichtigt werden konnten. Es gehörte einiges detektivisches Gespür dazu, die fantasievollen portugiesischen Titel und die absurd verfälschten Namen des Vorspanns zu identifizieren. Schließlich fand mein Kollege heraus, dass sich unter den Kopien zwei Fritz-Lang-Titel befanden: das wandernde bild und kämpfende herzen.

Sein Herz schlug buchstäblich etwas höher, und er kam aufgeregt nach Berlin zurück. In den folgenden zwei Jahren haben wir zusammen mit den Kollegen aus Sao Paolo die beiden Filme rekonstruiert.

Der Film kämpfende herzen, den Sie jetzt sehen werden, wurde im Februar 1921 in Berlin uraufgeführt. Er hatte damals eine Länge von 1.707 Metern. Die rekonstruierte Kopie ist 1.618 Meter lang. Die Zwischentitel sind aus dem Portugiesischen zurückübersetzt. In den Farben (tinting process) orientiert sich die Kopie an der portugiesischen Verleihfassung.

Trotz einiger fehlender Szenen ist die Handlung des Films verständlich. Kenner von Fritz Lang werden verschiedene später bei ihm wiederkehrende Motive entdecken: die blendende Oberfläche und das Chaos darunter; die Schwierigkeiten mit der eigenen Identität; Echtes wird für falsch ausgegeben und umgekehrt; ein Bild löst eine Irritation aus. Es geht um Kostümierung, Verstellung, Betrug. Am besten: man schaut genau hin, damit man sich nicht vom Schein täuschen lässt.

Den Titel kämpfende herzen sollten Sie nicht zu ernst nehmen. Er gehörte mehr zur Werbung für den Film als zum Film selbst.

Die Vorführung dauert ca. 80 Minuten. Der Film wird am Klavier begleitet. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.

Hongkong, 22. April 1992