Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Jahres
2007
Filmbuch des Jahres

Jochen Brunow (Hg.)
Scenario 1
Drehbuch-Almanach
Bertz + Fischer, Berlin 2007
366 S., 22,90 €
ISBN 978-3-86505-175-2

Jochen Brunow (Hg.):
Scenario 1.
Drehbuch-Almanach

Mit „Scenario 1“ beginnt Jochen Brunow die Edition eines Jahrbuchs, das speziell der Kunst des Drehbuchs gewidmet sein soll. Er agiert mit festen Rubriken: „Werkstattgespräch“, Essays, „Journal“ (eine Art Tagebuch eines Autors, einer Autorin), „Backstory“ (Splitter einer Geschichte des Drehbuchs), Buchrezensionen und dem Abdruck des vom BKM preisgekrönten Drehbuchs des Jahres.

Brunows Gespräch mit Wolfgang Kohlhaase setzt schon mal Maßstäbe, das Journal von Susanne Schneider ist kurzweilig, zur Backstory trägt Norbert Grob mit einem Blick auf Fitzgerald, Pinter und Kazan bei, das abgedruckte Drehbuch stammt von Oliver Keidel: dr. alemán. Umschlag und Layout stammen von Hauke Sturm. Jährlich eine neue Ausgabe: das setzt den Herausgeber unter Druck.

Thomas Koebner rezensiert das Buch im Film-Dienst:

„Von Peter Stripp, Autor zahlreicher ausgezeichneter Fernsehspiele, wird berichtet, dass er einmal auf dem Set mit der halb ironischen Anrede empfangen worden sei: ‚Ach, da kommt unser Dichter.’ Daraufhin habe Stripp gesagt: ‚Jawohl, hier kommt der Dichter.’ Selbst im Fernsehsystem, das Autoren traditionell höher schätzt als das System ‚Filmproduktion’, musste der Drehbuchautor darum kämpfen, wahrgenommen und anerkannt zu werden. Das scheint heute nicht anders zu sein, denn der wesentliche Impuls des seriös ausgestatteten Drehbuch-Almanachs besteht darin, den ‚Filmdichtern’ (die frühe Kino-Ästhetik hatte noch keine Scheu vor diesem Begriff) Achtung (und Selbstachtung) zu verschaffen. Es geht also nicht um ein Handbuch für  flottes szenisches Schreiben, sondern darum, wie sich die aktuelle Verfassung dieses Metiers in Deutschland spiegelt. Den Beginn macht ein aufschlussreiches, mit Detail-Erkenntnissen gespicktes Werkstatt-gespräch, das Jochen Brunow mit Wolfgang Kohlhaase führte. Unter der Rubrik ‚Essays’: der Erlebnisbericht eines künftigen Autors (Christoph Kannenberg) und die bittere, durchaus verständliche Klage des erfahrenen Wolfgang Kirchner über die schwierige ‚Geschwister-liebe’ zwischen Literatur und Film, bei der oft die Rechte der Literatur zu kurz kämen – plausibel entwickelt an der filmischen Umsetzung von Patrice Chéreaus ‚Sein Bruder’. Brunow lässt sich intensiv auf Charlie Kaufman und Adaption – Der Orchideen-Dieb ein, Michael Töteberg erneuert n exemplarischen Beispielen den traurigen Befund, dass die Beziehungen zwischen Literatur und Film in Deutschland ziemlich ‚zerrüttet’ seinen, Richard Reitinger grübelt über die Grundformen der Angst im Film. Ein ‚literarischer’ Höhepunkt: Das Journal von Susanne Schneider über einen Sommer am PC, sarkastisch und pfiffig formuliert. Ihrem Groll über manche Kritiker macht sie etwa in einer bestechenden Formulierung Luft: Diese Kritiker würden sich ‚wie Miniermotten in die Arbeit anderer hineinbohren, sie in Grund und Boden raspeln und sich dann in ihren Ausscheidungen suhlen. Geliehene Wichtigkeiten schreibender Saugnäpfe.’ (S. 156) (…) Unter dem Titel ‚Backstory’ widmet sich Norbert Grob eindringlich dem Verhältnis zwischen Fitzgerald, Pinter und Kazan am Beispiel des Films THE LAST TYCOON. Brunow ruft die Drehbuchautoren manifestartig dazu auf, aus dem Schatten hervorzutreten – unter dem ermunternden Titel ‚Alle Mann an Deck’. Ein umfänglicher Teil mit Rezensionen über Bücher, die sich mit dem Schreiben für den Film beschäftigen, lässt als Rezensenten vor allem Michael Töteberg zu Wort kommen, der bisweilen Behauptungen nachweislich aus der Luft greift (S. 224), aber zu Walsers ‚Angstblüte’ und Morshäusers ‚Beute machen, Blei beißen’ einige treffende Urteile findet. Den Abschluss bildet ein noch nicht gedrucktes und verfilmtes Drehbuch: Oliver Keidels ‚Dr. Alemán’, ein Skript, ausgezeichnet mit dem Deutschen Drehbuchpreis. Insgesamt demonstriert der Drehbuch-Almanach das ‚Ende der Bescheidenheit’ (diese Formulierung stammt von Heinrich Böll und galt seinerzeit, Anfang der 1970er-Jahre, für die Buchautoren). Die kontinuierliche Fortsetzung ist dem Projekt dringend zu wünschen.“

In: Film-Dienst, 2. August 2007, Nr. 16