Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Oktober 2014

Claudia Lenssen/Bettina Schoeller-Bouju (Hg.)
Wie haben Sie das gemacht?
Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen
Schüren Verlag, Marburg 2014
498 S., 29,90 €
ISBN 978-3-89472-881-6

Claudia Lenssen/Bettina Schoeller-Bouju (Hg.):
Wie haben Sie das gemacht?.
Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen

81 Berichte von Frauen über ihr Leben und ihre Arbeit in unterschiedlichen Filmberufen dokumentiert dieses Buch. Es sind sehr persönliche Texte, die in der Summe viel über Empathien, Schwierigkeiten, Erfolge und ambivalente Erfahrungen von Frauen im deutschen und österreichischen Film (und Fernsehen) der vergangenen fünfzig Jahre erzählen. Die Herausgeberinnen Claudia Lenssen und Bettina Schoeller-Bouju haben mit der Hälfte ihrer Protagonistinnen Gespräche geführt und die Aufzeichnungen bearbeitet, die anderen haben eigene Texte formuliert. Die Reihenfolge wirkt wie eine Collage, folgt aber einer „losen Chronologie“. Bei „Absolut Medien“ sind parallel zwei DVDs erschienen, die 24 Kurzfilme aus fünf Jahrzehnten präsentieren.

„Wie haben Sie das gemacht?“. Diese Frage wurde für die Publikation an viele Frauen gestellt, und bei den Antworten ging es vor allem um die Unterschiede in der deutschen Filmlandschaft zwischen Frauen und Männern. Warum dominieren Männer immer noch in der Produktion, in der Förderung, bei Festivals, in der öffentlichen Wahrnehmung? Die Antworten sind vielfältig, natürlich subjektiv und fast durchgehend interessant. Jedem Text vorangestellt sind ein Foto, eine Kurzbiografie und eine ausgewählte Filmliste. In der Regel sind die Texte vier bis sechs Seiten lang. Ihr wichtigstes Merkmal: sie sind sehr persönlich formuliert, erzählen Geschichten aus dem eigenen, realen Leben, sie handeln von positiven und negativen Erfahrungen, sie flüchten selten in die Theorie, sondern berichten von Konflikten zwischen Familie und Arbeit, zwischen eigener Vorstellung und fremd gesteuerter Erwartung. Es ist ungerecht, einzelne Texte hervorzuheben, weil mindestens fünfzig sehr lesenswert sind und der Informationswert ja aus der Summe des Ganzen entsteht. Ich sage trotzdem, dass mir die Texte von Maren Ade, Aysun Bademsoy, Jutta Brückner, Renée Gundelach, Angela Haardt, Julia von Heinz, Caroline Link, Heike Melba-Fendel, Elfi Mikesch, Katrin Schlösser und Regine Sylvester besonders gut gefallen haben. Der Beitrag von Cornelia Köhler und Alexandra Georgi fällt etwas aus dem Rahmen, weil er sich wie eine Werbemaßnahme für WIFTG (Women in Film & Televison Germany) liest.

Die Seniorin unter den Teilnehmerinnen ist Erika Gregor, geboren 1934, die jüngste Laura Laabs, geboren 1985. In rund zwanzig Lebensläufen fehlt das Geburtsdatum; das ist heute zwar politisch korrekt, aber im Zusammenhang des Buches bedauerlich, zumal Wikipedia zahlreiche Daten offen legt.

Vier Jahre haben Claudia Lenssen und Bettina Schoeller-Bouju an dem Projekt gearbeitet. Die Zahl der teilnehmenden Frauen und das Spektrum der Filmberufe haben sich in dieser Zeit offenbar deutlich erweitert. Und der Umfang von fast 500 Seiten sollte Leserinnen und Leser nicht entmutigen. Die Lektüre ist durchgehend spannend. Die Auswahl der Teilnehmerinnen wird nicht genauer begründet, einige Kandidatinnen hatten offenbar kein Interesse am Mitmachen, andere sagten am Ende ab. Ich nenne – sehr persönlich – zwölf Frauen, von denen ich gern einen Text gelesen hätte: die Regisseurinnen Doris Dörrie, Jeanine Meerapfel, Ulrike Ottinger und Angela Schanelec, die Drehbuchautorin Ruth Toma, die Kamerafrau Judith Kaufmann, die Schnittmeisterinnen Bettina Böhler und Monika Schindler, die Dokumentaristin Gabriele Voss, die Szenenbildnerin Silke Buhr, die Filmförderin Eva Hubert, die Filmhochschulleiterin Simone Stevens, die Kulturredakteurin Christiane Peitz. Natürlich hätte ich den genannten Frauen besonders interessante Bekenntnisse zugetraut…

Aber das Buch „Wie haben Sie das gemacht?“, erschienen im Schüren Verlag, ist in jedem Fall eine Publikation, die man lesen muss. Sie hat auch im Zusammenhang mit der aktuellen Aktion „Pro Quote Regie“ konkrete Bedeutung.

Die Teilnehmerinnen des Projekts, die im Buch mit einem Text vertreten sind, sollen hier natürlich auch genannt werden. Ich habe sie, soweit möglich, nach ihren Haupttätigkeiten geordnet und in eine alphabetische Reihenfolge gebracht. Es handelt sich um die Regisseurinnen (die meist auch als Autorinnen und oft als Produzentinnen tätig sind) Maren Ade, Barbara Albert, Claudia von Alemann, Aysun Bademsoy (Dokumentarfilm), Bettina Blümler, Jutta Brückner, Sabine Derflinger, Katinka Feistl, Aelrun Goette, Nina Grosse, Iris Gusner, Julia von Heinz, Sonja Heiss, Annekatrin Hendel, Maika Mia Höhne, Imogen Kimmel, Laura Laabs, Caroline Link, Pia Marais, Elfi Mikesch (auch Fotografin und Kamerafrau), Helke Misselwitz, Natalie Percillier, Helga Reidemeister (Dokumentarfilm), Helke Sander, Claudia Schmid, Evelyn Schmidt, Heide Schwochow, Ula Stöckl, Isabell Šuba, Monika Treut, Margarethe von Trotta, Tatjana Turanskyi, Connie Walther, Britta Wandaogo (viele von ihnen sind auch als Professorinnen oder Dozentinnen tätig), um die Experimentalfilmerinnen Ute Aurand, Milena Gierke, Birgit Hein (auch Performancekünstlerin und Professorin), die Kamerafrauen Christine W. Maier und Sophie Maintigneux, die Cutterinnen Heide Breitel (inzwischen auch Regisseurin und Produzentin) und Elena Bromund Lustig (auch Regisseurin), um die Schauspielerinnen Fritzi Haberlandt, Julia Jentsch, Hanna Schygulla, Anna Thalbach und Laura Tonke, um die Produzentinnen Alexandra Georgi, Renée Gundelach (auch Film-Consultant), Katrin Schlösser, Claudia Steffen und Regina Ziegler, die Verleiherinnen Irit Neidhart (auch Produzentin und Kuratorin), Phil van der Linden (2013 verstorben, Text von Annette Förster) und Debra Zimmermann, die Kuratorinnen Angela Haardt (früher auch Festivalleiterin), Elfi Reiter und Brigitte Tast (auch Fotografin), die Festivalleiterinnen oder -mitarbeiterinnen Erika Gregor, Julia Farick und Silke Johanna Räbiger, die Filmkritikerinnen/Filmjournalistinnen Heike Hurst (2012 gestorben), Heike Melba-Fendel (auch PR-Agentin), Regine Sylvester (auch Drehbuchautorin) und Ellen Wietstock, die Filmwissenschaftlerinnen Marie-Luise Angerer, Annette Brauerhoch und Heide Schlüpmann, die Fernsehredakteurinnen Inge von Böninghausen, Claudia Gladziejewski, Sibylle Hubatschek-Rahn und Beate Schönfeldt, die Filmförderinnen Gabriele Röthemeyer (auch Dokumentaristin und Dramaturgin) und Marijana Stoisits sowie die Regieassistentin Barbara Mädler-Vormfeld, die Synchronregisseurin Marion Voigt-Schöneck, die Kostümbildnerin Anne-Gret Oehme, die Mentorin Wilbirg Brainin-Donnenberg, die Mitarbeiterin des Goethe-Instituts Marina Ludemann, die Aktivistin und Bloggerin Melissa Silverstein, die Dramaturgin Cornelia Köhler und die Autorin und Super-8-Filmerin Gabriele Stötzner.

Am 16. Oktober findet in der Akademie der Künste am Hanseatenweg eine Präsentation des Buches mit Claudia Lenssen, Bettina Schoeller-Bouju und Gästen statt.

Im vergangenen Jahr ist im Verlag edition text + kritik das Buch „Filme.Macherinnen – Die Frauen der HFF München“ erschienen, herausgegeben von Henriette Kaiser, Monika Stumpf-Lerch und Claudia Schröter. Daran soll im Zusammenhang mit dem neuen Buch erinnert werden: /2013/10/filme-macherinnen/

DVD 1

Unter dem Titel „Wie haben Sie das gemacht?“ sind im Sommer bei Absolut Medien zwei DVDs erschienen, die insgesamt 24 Kurzfilme von Frauen aus fünf Jahrzehnten zugänglich machen. Auf der ersten DVD findet man, unter dem Sammeltitel „Spielen und Dokumentieren“, elf Filme von Ula Stöckl, May Spils, Cristina Perincioli, Pia Frankenberg, Ange Welz-Rommel, Sieglinde Hamacher, Connie Walther, Nathalie Percillier, DVD 2Bettina Schoeller, Laura Laabs und Britta Wandaogo, auf der zweiten, unter dem Titel „Neue Formen“, 13 Filme von Helke Sander, Suzanne Beyeler, Hedda Rinneberg, Helke Misselwitz, Cornelia Klauß, Ute Aurand und Ulrike Pfeifer, Ramona Köppel-Welsh, Bärbel Freund, Milena Gierke (2), Birgit Hein, Maike Höhne und Isabel Suba. Spieldauer: insgesamt 302 Minuten. Mehr zu den beiden DVDs: thema&list_item=53 und thema&list_item=53

Und zu guter letzt noch ein Hinweis auf die Website www.frauenmachenfilme.de