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09. Juni 2015

Nachkriegskino in Deutschland

2015.ReflektionenEs gab in den letzten Jahren immer wieder Publikationen zum Nachkriegskino in Deutschland, ich erinnere nur an „Nachkriegskino“ von Gerhard Bliersbach, „Rubble, Ruins and Romanticism“ von Martina Moeller, „Trümmerfilme“ von Robert R. Shandley, aber diese historische Phase bietet der Filmforschung noch viel Stoff zur Bearbeitung. Das wird bei der Lektüre des Bandes „Reflexionen des beschädigten Lebens?“ deutlich. Er basiert auf einer Tagung, die im Juli 2012 in Frankfurt am Main stattgefunden hat. In ihrem Vorwort erinnert Claudia Dillmann an die frühen Aktivitäten des Deutschen Filmmuseums („Zwischen Gestern und Morgen“ hieß 1989 eine Publikation, die Hilmar Hoffmann und Walter Schobert herausgegeben haben). Die 14 Beiträge des vorliegenden Buches stammen zum Teil von erfahrenen Filmhistorikern (Jan-Christopher Horak, Bernhard Groß, Stephen Lowry), aber vor allem von jungen Autorinnen und Autoren, die mit einem neuen Blick auf die Periode schauen (zum Beispiel Christian Pischel, Sarah Kordecki oder Maja Figge). Auch die Herausgeber Bastian Blachut, Imme Klages und Sebastian Kuhn gehören zu dieser neuen Generation. Ich greife einige Texte heraus, die mich besonders interessiert haben: Chris Horaks Beitrag zur Nachkriegs-Remigration in Deutschland basiert natürlich auf seinen früheren Forschungen. Auch Stephen Lowry hat sich zum Thema „Stars im westdeutschen Nachkriegskino“ schon mehrfach geäußert. Interessant fand ich die Analysen von Daniel Jonah Wolpert über „Freitod und Neubeginn in den deutschen Filmen der unmittelbaren Nachkriegszeit“, also die Suizide u.a. in EHE IM SCHATTEN, IN JENEN TAGEN und ZWISCHEN GESTERN UND HEUTE, die der Autor sehr rigoros als Schlusspunkte interpretiert, die einen Neubeginn ermöglichen sollen. Auch der Text von Maja Figge über „Generische und rassisierte Überblendungen in DIE GOLDENE PEST“ basiert auf einer detaillierten Filmanalyse. Christian Pischel untersucht „Audiovisuelle Figurationen der Masse in den DEFA-Filmen der 1950er Jahre“, speziell in DIE UNBESIEGBAREN, DAS LIED DER MATROSEN und ERNST THÄLMANN I. Seine Bild- und Ton-Beobachtungen sind sehr differenziert. Judith Kretzschmar thematisiert den Heimatfilm in der DDR mit Konrad Wolfs EINMAL IST KEINMAL als zentralem Filmbeispiel. Einen Blick über die Grenzen wirft Massimo Perinelli mit seinem Text „Achtung! Tedeschi! Trümmerfilm, Neorealismus und das Bild der Deutschen im italienischen Nachkriegsfilm“. In der Summe: ein sehr lesenswertes Buch. Mehr zum Buch: VXBKmByWFgs