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22. Dezember 2014

METROPOLIS – zwei Bücher

2014.MetropolisMETROPOLIS – das ist ein Meisterwerk der 1920er Jahre von Fritz Lang. Grundlage für den Film, das wird gern vergessen, war ein Roman der Autorin Thea von Harbou (1888-1954), der damaligen Ehefrau von Fritz Lang, die auch als Drehbuchautorin des Films ihren Credit hat. Der Roman erschien erstmals 1926, also vor fast 90 Jahren, bei August Scherl und ist jetzt im Wiener Milena Verlag neu publiziert worden. Es ist interessant, den Roman heute zu lesen, wenn man die Bilder des Films im Kopf hat. Sein Beginn ist prototypisch für die Harbou-Sprache jener Zeit: „Jetzt schwoll das Brausen der großen Orgel zu einem Dröhnen an, das sich wie ein aufstehender Riese gegen die Wölbung des hohen Raumes stemmte, um sie zu zersprengen. Freder beugte den Kopf zurück; seine weit offenen, verbrennenden Augen starrten blicklos nach oben. Seine Hände formten Musik aus dem Chaos der Töne, mit den Erschütterungen des Klanges ringend und bis ins Innerste von ihm durchwühlt. Er war den Tränen so nahe, wie nie in seinem Leben, und in einer seligen Hilflosigkeit unterwarf er sich dem glühend Feuchten, das ihn blendete.“ Freder, der jugendliche Held, sitzt in einer Kirche an der Orgel und denkt an seine Mutter, die bei seiner Geburt gestorben ist. Der Roman endet mit einer Begegnung von Freders Vater, Joh Fredersen, der inzwischen ergraut ist, mit seiner uralten, gelähmten Mutter, die ihm einen Brief der Lichtgestalt „Hel“ übergibt, der mit dem Satz endet „Siehe, ich bin bei dir alle Tage bis an der Welt Ende!“ Meilenweit von aller Neuen Sachlichkeit der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entfernt, findet man in der Religiosität, im Pathos und in der fast romantischen Zukunftsbeschreibung der Autorin interessante Ergänzungen und Bezüge zum Lang-Film. Mit einem Nachwort von Franz Rottensteiner. Mehr zum Roman: author=147 Gut gefallen hat mir eine Rezension von Barbara Mader im Wiener Standard: Die-Wahrheit-ist-hier-drinnen?_slide=5

2014.Franzobel„Metropolis“ – das ist auch ein neuer Dialog-Text des österreichischen Autors Franzobel (*1967), der den Plot des Romans von Thea von Harbou und des Films von Fritz Lang zum Ausgangspunkt eines sprachlich modernen, gelegentlich ins Östereichische wechselnden Liebes- und Kapitalistendramas macht, das von der Erzählerin Hel kommentiert wird und von den bekannten Protagonisten (Freder, sein Vater Joh Fredersen, der erste Sekretär Josephat, der Aufpasser „der Schmale“, Werkmeister Grot, der Erfinder Rotwang, der Arbeiter Györgi – Maria und Maschinenmaria) vorgeführt wird. Wir lesen eine Art Theatertext mit Aktionsbeschreibungen. Am Ende darf Maria verkünden: „Das Teuerste, was der Mensch besitzt, ist sein Leben. Es wird ihm nur einmal gegeben, daher muss jeder von euch seine Zeit nützen, vergeudet sie nicht mit sinnloser Arbeit, um euch sinnlose Ablenkung leisten zu können. Sucht keinen Zeitvertreib, sucht euch selbst. Nichts ist so wunderbar und so groß wie die Seele eines Menschen. Darum sage ich euch, rennt keinem Führer hinterher, sondern hört auf euren Bauch, pflegt eure Seele, nützt die Zeit – vertraut auf euer Herz.“ Von Thea von Harbous Sprache unterscheidet sich Franzobels Version fundamental. Sie hat satirische Momente und mahnt zur Vernunft. Fünf Fotos des Autors zeigen Rolltreppen. Vom Verlag wird Franzobel als „freischaffender Fahrradfahrer in Wien“ vorgestellt, der sich gelegentlich auch als Autor betätigt. Also doch: Satire. Mehr zum Buch: 9783709201282&L=0