Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Dezember 2019

Alison Castle
The Definitive Jacques Tati
5 Bände
Köln, Taschen Verlag 2019
1.136 S., 185 €
ISBN: 978-3-8365-7711-3

Alison Castle (Hg.):
The Definitive Jacques Tati

Er war einer der Großen des französischen Kinos. Jacques Tati hat nur sechs lange Spielfilme (wenn man den Fernsehfilm PARADE mitzählt) realisiert. Es sind alles Komödien. Er schrieb jeweils das Drehbuch, führte Regie und spielte die Hauptrolle: den Monsieur Hulot. Es gibt fast keine Dialoge. In einer fünfbändigen Edition erschließt Alison Castle das Werk des Regisseurs.

Jacques Tati, eigentlich: Tatischeff, geboren 1907 in der kleinen Stadt Le Pecq in der Region Ile-de-France, war der Sohn des russischen Militärattachés Georges Emmanuel Tatischeff und der mit ihm nicht verheiraten Französin Rose Anathalie Alinquant. Er lernte nach der Schule das Bilderrahmen, spielte Tennis und Rugby. In den Spiel-pausen unterhielt er seine Mitspieler mit witzigen Pantomimen. Als er beim Direktor eines Pariser Kabaretts vorsprach, wurde er sofort engagierte. In Music Halls hatte er mit pantomimischen Szenen große Erfolge, in denen er Sportarten und Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln parodierte. Anfang der 1930er Jahre tauchte er erstmals in Kurzfilmen auf, etwa als Tennis-Champion.

1947 hatte Tati seinen Durchbruch mit dem ersten selbst geschrie-benen und inszenierten Langfilm Jour de fête. Es folgten LES VACANCES DE MONSIEUR HULOT (1952), MON ONCLE (1958), der den Spezialpreis der Jury beim Filmfestival in Cannes gewann, und der aufwendige Film PLAYTIME (1967), der beim Publikum keinen Erfolg hatte und Tati insolvent machte. Er konnte in Frankreich noch den Film TRAFFIC (1971) drehen und 1974 den schwedischen Fernsehfilm PARADE. Er starb 1982 in Paris.

Themen seiner sechs Filme sind das Schützenfest in einem Dorf (JOUR DE FÊTE), Ferien am Meer (LES VACANCES DE MONSIEUR HULOT), modernes Wohnen (MON ONCLE), das Wolkenkratzer-Paris Tativille (PLAYTIME), Straßenverkehr (TRAFIC) und Zirkus (PARADE).

Der erste Band der Edition enthält in chronologischer Reihenfolge Filmstills wichtiger Momente der sechs Filme. Der zweite Band dokumentiert in englischer Übersetzung die Drehbücher der Filme. Eingefügt sind Faksimiles aus den französischen Originaldreh-büchern. Im Anhang kann man zwei Drehbücher nicht realisierter Filme lesen: L’ILLUSIONISTE (1961) und CONFUSION (1973).

Den dritten Band eröffnet eine illustrierte Chronik des Lebens von Jacques Tati, verfasst von Jean-Philippe Guerand. Stéphane Goudet beschäftigt sich dann mit seiner Jugend und der Arbeit in der Music-Hall. Jacques Kermabon schreibt über Tatis Kurzfilme. Von Jonathan Rosenbaum stammen sechs Essays zu den langen Filmen. Alexandrine Dhainaut schreibt über die nicht realisierten Projekte L’ILLUSIO-NISTE und CONFUSION. Stéphane Goudet dokumentiert Erinnerungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an die Zusammenarbeit mit Jacques Tati. Ein Epilog von Jonathan Rosenbaum ist dem Tod von Tati gewidmet.

Acht Beiträge enthält der vierte Band: „Listening to Tati“ von Daniel Deshays, „Tati and Architecture“ von Stéphane Goudet, „Tati’s Vehicles“ von François-Pier Pelinard-Lambert, „Gags and Observation“ von Stéphane Goudet, „Tati as Composer?“ von Stéphane Lerouge, „Gesture and Choreography: Tati in Motion“ von Philippe Noisette, „The Artist, the Model, and the Double“ von Jacques Kermabon, „The Language of Objects“ von Josephine Jibokji. Sie öffnen in vieler Hinsicht unseren Blick auf Tatis Werk und sind mit zahlreichen Abbildungen verbunden.

Selbstaussagen von Jacques Tati füllen den fünften Band. Zunächst sind kurze Zitate von ihm mit Fotos verknüpft. Dann folgen vier Interviews, die er Jean L’Hote, Jonathan Rosenbaum, Penelope Gilliat und Macha Makeieff gegeben hat. Hier erfährt man viel über die Inszenierungskonzepte und die Gedankenwelt des Filmemachers.

Es mag sein, dass die spezielle Komik von Jacques Tati etwas in Vergessenheit geraten ist. Gelegentlich sind Filme von ihm auf arte zu sehen. Aber es gibt alle seine Filme auf DVD und Blu-ray. Und es lohnt sich, sie ab und an zu sehen. Die Taschen-Edition liefert neues Hintergrundmaterial. Die fünf Bände sind nicht ganz billig, aber im Dezember gibt es ja ein Fest, bei dem man sich und anderen mit einem Geschenk eine Freude machen kann.

Anke Sterneborg hat im Dezember-Heft von epd Film eine sehr schöne Rezension der fünfbändigen Publikation veröffentlicht.

Mehr zum Buch: the_definitive_jacques_tati.htm