Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Januar 2016

Michael Scholten
Quentin Tarantino Unchained
Die blutige Wahrheit
München: Riva Verlag 2016
224 S., 16,99 €
ISBN 978-3-86883-698-1

Michael Scholten:
Quentin Tarantino Unchained.
Die blutige Wahrheit

Sein achter Kinofilm, der Western THE HATEFUL EIGHT, hatte zu Weihnachten in den USA Premiere und ist ab 28. Januar auch in Deutschland zu sehen. Quentin Tarantino hat viele Fans in der ganzen Welt. Seine Filme gelten als blutrünstig und gewaltfixiert. Als Autor und Regisseur ist er beeinflusst von Martial-Arts-Klassikern aus Hongkong, amerikanischen Blaxploitationfilmen, französischen Gangsterfilmen und vom Italowestern. Der Journalist Michael Scholten hat jetzt im Riva Verlag eine Monografie über Tarantino publiziert, die sehr gut recherchiert ist und den Blick auf die Produktionshintergründe seiner Filme öffnet.

Quentin Tarantino (*1963) hat viele Vorbilder. Er hatte sich zuerst als Stammkunde einer Videothek in der Kleinstadt Manhattan Beach und dann als angestellter Videothekar kreuz und quer durch die internationale Filmgeschichte bewegt, verfügt offenbar über ein großes Erinnerungsvermögen, war begeistert von den Roman von Elmore Leonhard und wollte schon früh Regisseur werden. Seine ersten Filme, LOVEBIRDS IN BONDAGE (1983) und MY BEST FRIEND’S BIRTHDAY (1987), blieben unvollendet, sein erster eigener Film war dann RESERVOIR DOGS (1992), ein Gangsterdrama mit Harvey Keitel, Tim Roth, Michael Madsen, Chris Penn und Steve Bruscemi, das schnell zum Kultfilm wurde. Die Produzenten Bob und Harvey Weinstein wurden auf Tarantino aufmerksam, sie ermöglichten ihm das Project PULP FICTION (1994), eine episodisch erzählte Gangsterkomödie mit John Travolta, Bruce Willis, Samuel L. Jackson, Uma Thurman, Harvey Keitel, Tim Roth, Amanda Plummer und Rosanna Arquette. Der Film gewann die „Goldene Palme“ in Cannes und wurde ein internationaler Erfolg.

Die besondere Stärke des Buches von Michael Scholten liegt in der Darstellung der Produktionsgeschichten von Tarantinos Filmen: wie seine Drehbücher entstehen, welche filmhistorischen Bezüge eingefügt werden, wie sich die Finanzen summieren, wie gecastet wird, warum welche Kameraleute ausgewählt werden, wer für das Production Design die Verantwortung übernimmt, wie die Dreharbeiten verlaufen, wie sich die Schnittarbeit mit Sally Menke vollzieht, wie die Filme auf Festivals platziert und anschließend vermarktet werden.

So werden wir über JACKIE BROWN (1997) mit Pam Grier, Samuel L. Jackson, Bridget Fonda, Michael Keaton und Robert De Niro, über KILL BILL Vol. 1 & 2 (2003/04) mit Uma Thurman, Lucy Liu, Daryl Hannah und David Carradine, über DEATH PROOF (2007) mit Kurt Russell und Rosario Dawson, über INGLORIOUS BASTERDS (2009) mit Brad Pitt, Mélanie Laurent, Christoph Waltz, Eli Roth, Til Schweiger, Diane Kruger und Michael Fassbender, über DJANGO UNCHAINED (2012) mit Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington und Samuel L. Jackson und über THE HATEFUL EIGHT (2015) mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh, Tim Roth, Michael Madsen und Bruce Dern informiert. Auch wenn Tarantino viele Darstellerinnen und Darsteller immer wieder einsetzt – niemand kann sich darauf verlassen, eine Rolle bei ihm zu bekommen, wenn sich im Kopf des Regisseurs schon eine andere Besetzung eingenistet hat.

Das Privatleben von Tarantino wird in Scholtens Buch eher diskret behandelt. Und man darf keine Analysen der Filme erwarten. Das Faktografische steht im Vordergrund. Kluge Analysen der Tarantino-Filme findet man in dem Buch von Susanne Kaul und Jean-Pierre Palmier, das 2013 im Fink Verlag erschienen ist: quentin-tarantino/ .

Ungewöhnlich an der Publikation von Michael Scholten ist der Verzicht auf Abbildungen. Das hat zwei Vorteile: erstens kann man sich ganz auf den Text konzentrieren, zweitens ist das Buch mit 16,99 € sehr preiswert. Fotos in angemessener Qualität hätten den Verkaufspreis deutlich erhöht. Und Tarantino-Fans haben die Filmbilder ohnehin im Kopf. Die Publikation ist im Übrigen auch als E-Book erhältlich.

Vor zehn Jahren ist bei Bertz + Fischer ein Tarantino-Buch von Robert Fischer, Peter Körte und Georg Seeßlen erschienen, damals bereits in einer vierten, erweiterten und neu bearbeiteten Auflage. Leider ist das Buch inzwischen vergriffen. Für die Filme von RESERVOIR DOGS bis KILL BILL ist die kommentierte Filmografie von Robert Fischer vorbildlich. Vielleicht gelingt es ja, eine fünfte, aktualisierte Auflage zu realisieren.

Mehr zum Buch von Michael Scholten: quentin-tarantino-unchained/