Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Juni 2007

David Thomson
Nicole Kidman
Roman
Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer

Bloomsbury Berlin 2007
352 S. 19,90 €
ISBN

David Thomson:
Nicole Kidman

Am 20. Juni hat die amerikanische Schauspielerin Nicole Kidman Geburtstag. In diesem Jahr ihren 40. Das Timing für die deutsche Ausgabe der Liebeserklärung von David Thomson ist also gut gewählt. Im Untertitel nennt sich die Biografie „Roman“. Das hat aus zwei Gründen eine gewisse Logik. Erstens bereichert der Autor den realen Verlauf des Kidman-Lebens mit eigenen Phantasien und schildert Filme, die nie realisiert wurden, aber gut vorstellbar sind. Zweitens verzichtet er auf präzise Quellenangaben, wie sie in „seriösen“ Biografien üblich sind. Er zitiert aus Interviews, literarischen Werken und Statements, die Zitate sind quasi Teil des Thomson-Textes, für Spurensucher gibt es eine summarische Bibliografie im Anhang. Die eigenständige Recherche zu Kidman kann man im Übrigen eher bescheiden nennen. Was macht dann die Besonderheit dieses Buches aus?

David Thomson (*1941) ist ein hoch geschätzter und viel geliebter Autor und Filmkritiker. In keinem Buchregal eines Cineasten darf sein „Biographical Dictionary of Film“ fehlen, erstmals erschienen 1975: eine wunderbare Mixtur aus objektiven Fakten und subjektiver Meinung. Es ist das Buch eines Liebhabers, der aus seinen Zuneigungen und Vorbehalten kein Geheimnis macht. Thomson hat seit 1967 an die zwanzig Bücher publiziert, darunter mehrere Romane, vier „seriöse“ Biografien (über Laurence Stern, Warren Beatty, David O. Selznick und Orson Welles), Abhandlungen über Hollywood, die vier „Alien“-Filme, den Mulholland Drive und das Leben in Amerika (genauer: in Nevada). Er lebt in San Francisco.

Nicole Kidman, geboren in Honolulu, aufgewachsen in Australien, erfolgreich in Amerika, ist für David Thomson ein spezielles Objekt der Begierde. „Ich mag Nicole Kidman sehr. Ich liebe sie – solange ich nicht ihre persönliche Bekanntschaft machen muss.“ (S. 11). Thomson mischt in seinem biografischen Roman persönliche Beziehungs­phantasien mit filmkritischen Beobachtungen. Er leistet sich Trivialitäten und Frechheiten, die man als Stilmittel sophisticated nennen kann. Er hält Zwiesprache mit dem Leser, unternimmt originelle Exkursionen zu Katharine Hepburn und Meg Ryan, zum australischen Film, zu Tom Cruise (naheliegend), Stanley Kubrick und Virginia Woolf. Er gibt sich als Charmeur, als Besserwisser und potentieller Liebhaber. Er umgarnt seine Protagonistin, macht manche ihrer Filme besser und manche schlechter als sie sind. Bewundernswert, wie er immer wieder den Nerv der Filme trifft.

Die deutsche Übersetzung ist nicht auf der Höhe des englischen Originals. Aber dies ist das erste Thomson-Buch, das überhaupt ins Deutsche übertragen wurde. Mit etwas Übung wird beim nächsten Mal vielleicht auch der spezifische Ton dieses Autors zu treffen sein. Aber gibt es ein nächstes Mal?

P.S.: Die Filmzeitschrift „steady cam“ hat dem Autor im Frühjahr 2002 (Nr. 43) ein Special gewidmet: „Die fabelhafte Welt des Mr. T. – Warum es sich lohnt, David Thomson zu entdecken.“