Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
März 2009

Philipp Brunner
Konventionen eines Sternmoments
Die Liebeserklärung im Spielfilm
Schüren, Marburg 2008
288 S., 24,80 €
ISBN 978-3-89472-519-8

Philipp Brunner:
Konventionen eines Sternmoments.
Die Liebeserklärung im Spielfilm

„I love you“, „Je t’aime“, „Ich liebe Dich“. Dieses Bekenntnis gibt es in allen Sprachen, und weil es dabei um Gefühle geht, hören wir es auch oft im Kino, von der Leinwand. Vielleicht sogar mehr als im realen Leben. So liegt es nahe, sich mit diesen schönen Momenten einmal genauer zu beschäftigen. Wenn es sein muss, auch wissenschaftlich.

Ausgangspunkt des Autors sind sprachliche Kommunikationsformen, die Rituale des Bürgertums und die literarischen Vorläufer der Liebeserklärung. Er zitiert dann einige wirklich schöne Formulierungen aus Filmen, die den unmittelbaren Bekenntnissatz vermeiden. Zum Beispiel, auf schwyzerisch: „Es geyt mer ned reng … ds Härz … däwa of e Tesch use zpacke … Aber e weyss nome, e ha di gäng gärn gseh … Ney, das esch zweni gseyt … e ha di gärn gha, besch mer lieb gsy … E weyss, es scheckt si ned grad, das eyfach eso zsäge.“ (aus ULI DER KNECHT). Das versteht man doch auch in Norddeutschland.

Ein Schwerpunkt der Untersuchung sind die Szenerien für Liebeserklärungen: Orte, Schauplätze, Räume. Da geht es um Paris, Venedig und Wien, um idyllisches Ambiente, öffentlichen Raum oder private Wohnung. Wo stellen sich die größten Wirkungen ein, wo haben die Geständnisse ihr intimstes Echo? Das führt unmittelbar zur Blickrichtung der Kamera auf Gesichter; die sichtbaren und die unsichtbaren. Da geht es um Einstellungsgrößen, um die sprechende und die angesprochene Person, um face-to-face, Schuss – Gegenschuss, Aktion und Reaktion. Ein weites Feld der Möglichkeiten für Regie, Kamera und Darsteller.

Ein eigenes Kapitel handelt von der Emotionspsychologie: Wie reagieren denn die Kinozuschauer auf Liebesbekenntnisse? Die Tiefen der „Fiktionsemotionen“, der „affektiven“ und der „somatischen Empathie“ sind interessante Aspekte der Wirkungsforschung, die uns hier nachvollziehbar beschrieben werden.

Und dann geht es natürlich noch um die Dramaturgie. Wann finden in den Filmen die Liebeserklärungen statt? Stehen sie ziemlich am Anfang und führen zu Konflikten, Umwegen, melodramatischen Entwicklungen, Dreiecksverhältnissen, Eifersucht, Tod und Verderben? Oder erfolgen sie sehr spät und sind schlicht das Happyend des Films? Alle Möglichkeiten gibt es, der Autor nennt Beispiele, an die man sich gern erinnert, wenn man die Filme gesehen hat.

149 Abbildungen aus 67 Filmen visualisieren den Text. Sie sind punktgenau den heutzutage verfügbaren DVDs entnommen und konkretisieren die Analysen. Das macht sie unverzichtbar, auch wenn sie zum Teil ziemlich klein geraten sind. Aber das Buch hat drucktechnisch hohe Qualitäten.

Der Autor schreibt „aus der Perspektive eines deutschschweizerischen, protestantischen, schwulen Filmwissenschaftlers“. Das sieht er im Vorwort als eine eigentlich ungünstige Voraussetzung für eine Beschäftigung mit Liebeserklärungen an, weil für Männer, gar Akademiker, noch dazu Zwinglianer und dann noch Nichtheterosexuelle die gängigen Liebesmomente im Film eigentlich nicht gemacht werden. Brunner bewegt sich daran gemessen erstaunlich souverän durch das Labyrinth der Gefühle, fügt aber wenigstens ein eigenständiges „Schwullesbisches“-Kapitel an. Das Buch basiert auf einer Dissertation, die, betreut von Christine N. Brinckmann und Margit Tröhler, in Zürich entstanden ist. Mein Respekt vor der Schweizer Filmwissenschaft ist noch einmal ein Stück gewachsen.