Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
September 2007

Klaus Gronenborn
Karl Valentin
Filmpionier und Medienhandwerker

Henschel Verlag, Berlin 2007

160 S., 19,90 Euro

ISBN 978-3-89487-588-6

Klaus Gronenborn:
Karl Valentin.
Filmpionier und Medienhandwerker


Er musste Rollen spielen, in denen man Unheil anrichten kann: zum Beispiel Gärtner, Elektriker, Schneider, Friseurgesellen, Fotografenlehrlinge, Trompeter, Zithervirtuosen oder Zirkusdirektoren. Seine größte Fähigkeit bestand darin, Konfusion zu erzeugen, Katastrophen auszulösen, für Zerstörung zu sorgen, obwohl er doch alles nur besser machen wollte. Das brachte die Tragik in seine komischen Figuren.

Karl Valentin (1882–1948), der eigentlich Valentin Ludwig Fey hieß, war Bayer– geboren in der Münchner Au – und einer der Großen. Er kam von der Bühne und erarbeitete sich, zusammen mit seiner kongenialen Partnerin Liesl Karlstadt, eine eigenständige Präsenz im Rundfunk (überliefert auf Schallplatten) und im Film. Ein deutscher Chaplin konnte er nicht werden. Dafür fehlte ihm die Autonomie als Autor und Regisseur. Aber es gab nie wieder einen seinesgleichen. Er starb mit 66 Jahren an einem Rosenmontag als armer Mann in Planegg.

„Er ist nicht mit der instrumentellen Welt einverstanden, kann seine Machtlosigkeit aber nur dadurch demonstrieren, dass er gnadenlos entlarvt, wie unvollkommen die Warenwelt ist, die ihn bedrängt. Seine Zerstörungswut lässt noch von Ferne jenes utopische Denken erkennen, das dem Machbarkeitsglauben des 20. Jahrhunderts zugrunde liegt. Selbst im größten Vernichtungsrausch will er noch schaffen, und immer muss es das Beste, das Vollkommene, das Unerhörte sein. Das ist der Witz dabei.“ (Willi Winkler)

Das Buch von Klaus Gronenborn, mit einem Grußwort von Elmar Buck und einem Vorwort von Willi Winkler (kurz, aber zitierbar), ist der Katalog zu einer Ausstellung im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main. Text, Fotos und Dokumente erweisen sich als eine gelungene, gelegentlich berührende, in manchen Details auch überraschende Würdigung des Genies KV. Gronenborn ist mit Valentins Leben und Werk sehr vertraut. Er schildert Erfolge und Krisen, geht auf kulturelle und politische Kontexte ein, verarbeitet viele Materialien des umfangreichen Nachlasses. Besonders informativ sind der Text über DIE MYSTERIEN EINES FRISIERSALONS (D 1922/23, Regie: Erich Engel, Bertolt Brecht) und das umfangreiche Kapitel über Valentins Tonfilme: Körperkomik, Wortakrobatik, Musikclownerie. Die auf den neuesten Stand gebrachte Filmografie, ein work in progress, stammt von Johannes Kamps. Die Druckqualität der Publikation ist beachtlich.

Wer nach der Lektüre des Frankfurter Katalogs noch mehr über den Protagonisten erfahren möchte, dem sei die im Juni 2007 erschienene Biografie von Monika Dimpfl empfohlen: Karl Valentin, Deutscher Taschenbuch Verlag.