Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Februar 2007

Alexander Kluge
Geschichten vom Kino
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007
352 S., 22,80 €
ISBN 978-3-518-41904-5

Alexander Kluge:
Geschichten vom Kino

Das Buch enthält 120 Geschichten, die mehr oder weniger mit dem Kino zu tun haben. Oder, wie Kluge sagt, mit dem „Prinzip Kino“, bei dem es um die „Abbilder von hell und dunkel in unseren Köpfen“ geht.

Der Autor, Fernsehproduzent und frühere Filmemacher erzählt eigene Erlebnisse und Storys aus alten Zeiten, oft handeln sie von der „primitive diversity“, als es noch elementar und anarchisch zuging. Manche Texte kennt man aus der „Chronik der Gefühle“ (2000) oder der voluminösen „Lücke, die der Teufel lässt“ (2003), gelegentlich hat der Autor sie verändert, und natürlich sind viele neue Geschichten hinzugekommen. Sie handeln zum Beispiel von Kamera und Projektor, Fritz Lang und Zarah Leander, Oberhausen und Duisburg, Fassbinder und Schlöndorff, dem Irrgarten der Filmförderung und dem Hang zum Dunklen im Farbfilm. Oft schieben sich in die erzählenden Texte Dialoge, in denen der Leser zum Fragesteller wird. Typisch für Kluge: es geht immer wieder um den Zusammenhang von Kino und Krieg. Oder um zeitgeschichtliche Zuspitzungen (Studentenbewegung/RAF), in denen sich die Kamera verhalten muss – technisch und ideologisch.

Strukturiert ist das Buch in sieben Kapitel, beginnend mit „Ein Licht, das laut rattert“, endend mit „Niemand will ganz im Dunkeln vor dem Fernseher sitzen“. Assoziationsketten, für die Kluge eine besondere Vorliebe hat, finden sich aufs schönste in „Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben“: ausgehend von Joris Ivens, mit Zwischenstationen bei einem Filmprojekt über den Landregen in der DDR und bei dem Hurrikan Charley, hin zu den Mythen der Sintflut und der Frage, wo es nach einer weltweiten Wasserkatastrophe noch Platz für Kinos gibt.

Am Ende des Buches steht die immer wieder originelle Geschichte vom Filmvorführer Sigrist, der Probleme mit diskussionsbesessenen Zuschauern und beschädigten Filmkopien hat: die Diskussionen verzögern den Beginn der Spätvorstellung, die verschrammten Kopien gehen ihm gegen seine Ehre als Vorführer. Und weil die Zuschauer mehr am Reden als an schönen Filmkopien interessiert sind, lässt Sigrist bei der letzten Vorstellung einfach zwei Akte des Kriminalfilms weg. Er tut das mit gutem Gewissen, denn aus seiner Sicht verbessert der Sprung in der Handlung die Logik des Films. Mit den „Geschichten vom Kino“ gönnt sich Alexander Kluge eine reminiszierende Festschrift zu seinem 75. Geburtstag. Seinen letzten Kinofilm hat er vor zwanzig Jahren gedreht.