Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Juni 2011

Michael Wedel
Filmgeschichte als Krisengeschichte
Schnitte und Spuren durch den deutschen Film
transcript Verlag, Bielefeld 2011
460 S., 33,80 €
ISBN 978-3-8376-1546-3

Michael Wedel:
Filmgeschichte als Krisengeschichte

Politische Einschnitte, kulturelle Antinomien und gesellschaftliche Umbrüche prägen den deutschen Film von seinen Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart. Michael Wedel, Professor für Mediengeschichte und Filmtheorie an der HFF Konrad Wolf in Babelsberg, beweist dies in vierzehn beispielhaften Kapiteln.

Dies sind seine Themen: 1. der deutsche Film TITANIC – IN NACHT UND EIS (1912), die Fiktionalisierung des Schiffsunglücks in der Übergangszeit zum dramatischen Langspielfilm Anfang der 1910er Jahre. 2. Ästhetische und technische Überlegungen zur Bewertung des expressionistischen Films mit Verweisen auf den wenig bekannten Maler, Bildhauer und Theaterregisseur William Wauer. 3. Die Wirkungsweise des Schauspielers Albert Bassermann in dem Film DIE NÄCHTE DES CORNELIUS BROUWER (1921) und 4. die Wandlungen von Asta Nielsen in ihren Filmen der 1920er Jahre. 5. Die Genrefiguren des Regisseurs Richard Oswald, der nach fast hundert Stummfilmen im Jahr seines 50. Geburtstags mit fünf Filmen den Einstieg in die Tonfilmzeit vollzog. 6. Der Film ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (1930) von Lewis Milestone, die Exportstrategien der Firma Universal und die Kontroverse um die deutsche Fassung. 7. Das polyphone Erzählen in Willi Forsts FRAUEN SIND KEINE ENGEL (1942), 8. Das ironische Spiel des Regisseurs Kurt Hoffmann mit der literarischen Vorlage seines Films DIE BEKENNTNISSE DES HOCHSTAPLERS FELIX KRULL (1957). 9. Ein Vergleich des Fritz Lang-Films DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE (1960) mit dem Godard-Film LE MEPRIS (1962). 10. Die Rollen des Schauspielers Curt Bois in Filmen und Fernsehspielen nach seine Rückkehr aus dem Exil 1950. 11. Die unterschiedlichen Animationsfilm-Theorien in der DDR und der Bundesrepublik.12. Die Wahrnehmung des Werkes von Konrad Wolf in der internationalen Filmgeschichte, ein besonders interessantes Kapitel.  13. Dokumentarische Poetik Im neuen Deutschen Film: Syberberg, Kluge, Reitz, Bitomsky. Und zum Schluss (14.): Transnationale Ästhetik, neues europäisches Kino und unser Tom Tykwer.

Michael Wedel (* 1969) ist in seiner filmanalytischen Positionierung geprägt von der langjährigen Zusammenarbeit mit Thomas Elsaesser in Amsterdam. Das hat seinen Horizont erweitert und substantielle Fundierungen bewirkt. Man kann da durchaus von einer Elsaesser-Schule sprechen. Der Konrad-Wolf-Text ist auch gemeinsam mit seinem Lehrer entstanden. Zu wünschen wäre, dass sich Wedel von seiner übertriebenen Zitierwut befreit. Mehr Mut zur eigenen Formulierung, weniger Zitate und Vergleichsverweise! Niemand zweifelt doch an der Substanz seiner Gedanken, aber sie sollten auch einen lesbaren Fluss entwickeln.

Titelfoto: Asta Nielsen in VANINA.