BASIC INSINCT (1992)

Vor dreißig Jahren kam der Erotik-Thriller von Paul Verhoeven ins Kino und wurde als Skandalfilm ein großer Erfolg. Weltweit spielte er 350 Millionen $ ein, in Deutschland hatte er 4,4 Millionen Besuche-rinnen und Besucher. Aus-gangspunkt der Handlung ist der Mord an dem Rockstar Johnny Boz, der beim Sex mit einer blonden Frau mit einem Eispickel umgebracht wird. Verdächtigt wird die Kriminalromanautorin Catherine Tramell, die eine ähnliche Tat in einem Roman beschrieben hat. Aber es gibt natürlich auch andere mögliche Täterinnen. Der Detective Nick Curran leitet die Ermittlungen in San Francisco, wird aber vom Dienst suspendiert, als er mit einem Beamten der Aufsichtsbehörde in Streit gerät. Nick beginnt eine Affäre mit Catherine, die von deren Freundin Roxy eifersüchtig verfolgt wird. Auch die Psychaterin Beth, die mit Catherine eine lesbische Beziehung hatte, gerät in Mordverdacht. Die Konflikte eskalieren, es gibt mehrere Tote und ein scheinbares Happyend. Die Besetzung mit Michael Douglas als Nick, Sharon Stone als Catherine, Jeanne Tripplehorn als Beth und Leilani Sarelle als Roxy ist hervorragend. Bei StudioCanal sind jetzt DVD und Blu-ray des Films erschienen. Sehenswert. Mehr zur DVD: studiocanal.de/title/basic-instinct-1992/

Überwiegend heiter

Vera Tschechowa (*1940) erzählt auf 150 Seiten ihr „ziemlich bewegtes Leben“, das vor allem auf der Bühne und vor, später auch hinter der Kamera stattfand. Ihre Großmutter Olga und ihre Mutter Ada nahmen großen Anteil daran. Mit 17 Jahren dreht sie ihren ersten Film, DER WITWER MIT FÜNF TÖCHTERN, und lässt sich parallel bei Annemarie Hanschke zur Schauspielerin ausbilden. In NOCH MINDERJÄHRIG ist sie die Tochter von Paula Wessely, in DAS MÄDCHEN MIT DEN KATZENAUGEN die Tochter von Gert Fröbe. In Rom dreht sie MARIETTO, CAMILLA E PADRE’TERNO unter der Regie von Vittorio De Sica, der auch die Hauptrolle spielt. 1959 gibt es verschiedene Begegnungen mit Elvis Presley, die zur Legende werden und erstmals in den Details zu lesen sind. Ihre erste große Liebe ist der Schauspieler Hartmut Reck, die Beziehung ist relativ kurz, aber mit der Geburt ihres Sohnes Nikolaus verbunden. Für ihre Darstellung in DAS BROT DER FRÜHEN JAHRE erhielt sie 1962 das „Filmband in Gold“. In Hamburg spielt sie unter der Regie von Gustaf Gründgens Theater und mit Therese Giehse als Partnerin eine Hauptrolle in dem Fernsehfilm WASSA SCHELESNOWA unter der Regie von Egon Monk. 1966 stirbt ihre Mutter Ada bei einem Flugzeugabsturz in Bremen, 1967 heiratet sie den Schauspieler und Regisseur Vadim Glowna, 1988 trennt sie sich von ihm. Auch die privaten Geschichten werden von Vera Tschechowa sensibel und diskret erzählt. In den 1990er Jahren wechselt sie in die Position hinter der Kamera und dreht Fernsehporträts. Zu den Porträtierten gehören Armin Mueller-Stahl, Anthony Quinn, Michael Ballhaus und Ang Lee. Die Schilderung der Hintergründe ist höchst lesenswert, wie auch das ganze Buch. Es gibt einen 16seitigen Bildteil. Mehr zum Buch: Buecher/6636/berwiegendheiter.html

DIE KÄNGURU-VERSCHWÖRUNG

Zuerst gab es das Känguru als Podcast auf Radio Fritz, dann folgte die Roman-Trilogie. Autor: Marc-Uwe Kling. 2020 kam der erste Känguru-Film ins Kino, Regie führte Dany Levi, der Erfolg war groß. Jetzt ist der zweite Film, DIE KÄNGURU-VERSCHWÖRUNG im Kino zu sehen, und bei Ullstein ist der Storyboard-Comic zum Film erschienen. Mit fast 300 Seiten ziemlich lang. Die Handlung beginnt in Berlin und endet in Bielefeld. Marc-Uwe lebt mit seinem Alter-Ego, dem Känguru, in Kreuzberg und ist in seine Nachbarin Maria verliebt. Deren Mutter Lisbeth wohnt in Hinterwalde, leugnet den Klimawandel und bekennt sich zu den Querdenkern. Marc-Uwe schließt mit Maria eine Wette ab: wenn es ihm gelingt, Lisbeth zur Vernunft zu bringen, gibt es zur Belohnung ein Essen in Paris. Andernfalls bekommt sie seine Wohnung mit einem günstigen Mietvertrag. Erste Versuche, Lisbeth zu überzeugen, scheitern. Sie macht sich auf den Weg nach Bielefeld, wo die Verschwörungstheoretiker-Messe „CoCon“ stattfindet. Inzwischen taucht auch Marias Ex-Freund Joe auf, der in Nordkorea im Gefängnis gesessen hat. Er begleitet Marc-Uwe und das Känguru im Auto nach Bielefeld, kurz vor dem Ziel gibt es einen Unfall, sie erreichen die Messe zu Fuß. Die Konflikte eskalieren dort, die Besucher wollen Marc-Uwe und das Känguru lynchen, aber Lisbeth schlägt sich auf ihre Seite. Marc-Uwe gewinnt so die Wette, Maria fährt mit ihm zu einem Essen nach Paris, heiratet aber am Ende Joe. Es gibt viele witzige Momente, die Komik bewegt sich auf der Ebene des Klamauks, die sich für Comics gut eignet. Die Storyboards stammen von Axel Eichhorst. Mehr zum Buch: die-kaenguru-verschwoerung-9783550202247.html

Big Shots!

Fünfzig internationale Regisseurinnen und Regisseure werden in diesem Buch von David Jenkins auf jeweils einer Seite porträtiert. Ein Filmfoto auf der anderen Seite konkretisiert den Text. Die Auswahl ist eigenwillig. Natürlich sind Michelangelo Antonioni, Ingmar Bergman, Véra Chytilova, Jean Cocteau, Claire Denis, John Ford, Jean-Luc Godard, Alfred Hitchcock, Buster Keaton, Stanley Kubrick, Pier Paolo Pasollini, Nicholas Ray, Satyajit Ray, Martin Scorsese, Steven Spielberg, Josef von Sternberg, Andrej Tarkowski und Agnès Varda dabei. Aber ich vermisse u.a. Charles Chaplin, Federico Fellini, Akira Kurosawa, Fritz Lang, Ernst Lubitsch, Yasujiro Ozu, Roberto Rossellini, Volker Schlöndorff, François Truffaut oder Luchino Visconti. Andererseits haben es Lucretia Martel, Ava Duvernay, Barry Jenkins, Djibril Diop Mambéty und Abderrahmane Sissako unter die fünfzig geschafft. „Ich liebe die 50 Filmemacher, die hier versammelt sind“, schreibt der Autor in seiner Einführung. Immerhin sind zwei deutsche Regisseure vertreten: Rainer Werner Fassbinder und Werner Herzog. Sechs Porträts sind durch Interviews erweitert: Apichatpong Weerasethakul, Christine Molloy & Joe Lawlor, Isabel Sandoval, Pedro Costa und Mia Hansen-Løve. Die Texte von Jenkins sind konkret formuliert, die Abbildungen haben eine gute Qualität. Jedes Porträt hat als Überschrift ein Zitat. Hier sind drei, die mir besonders gut gefallen: „Das Wichtigste bei der Regie: die Augen der Menschen filmen.“ (John Ford), „Es gibt so viele Dinge, die wir nicht sehen – doch die Kamera sieht alles.“ (Robert Bresson), „Versuche, das Publikum immer so viel leiden zu lassen wie möglich.“ (Alfred Hitchcock). Mehr zum Buch: big-shots-filmemacher-ueber-film/hnum/10801008

Filmstars

Das Spielen mit Buchstaben und das Lösen der ent-sprechenden Rätsel ist ein beliebter Zeitvertreib. Es gibt Schwedenrätsel und Kreuzworträtsel auf unterschiedlichstem Niveau. Einen sehr eigenen Weg geht die Wortsuche „What a Word“. Auf 24 Seiten stehen jeweils 360 große Buchstaben. Zu suchen sind Filmstars, die sich darin verbergen. Entweder mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben oder als Mix. Über 600 internationale Schauspielerinnen und Schauspieler stehen zur Wahl, von Ben Affleck und Jessica Alba bis Catherine Zeta-Jones und Ian Ziering. Man kann sie waagrecht und senkrecht finden. Die Suche ist anstrengend, die Lösungsseiten sind nicht immer hilfreich. Zur Erholung gibt es grafische Abbildungen von Oscars, Filmklappen, Fernsehern, Kinotickets, Popcorntüten und Filmstreifen. Random Facts mit Geburtsdaten und Filmtiteln bilden Stabilität. Ansonsten: „ENJOY YOUR OFFLINE TIME”. Mehr zum Buch: wtawrd.at/books/what-word-film-stars/

ARSÈNE LUPIN, DER MILLIONENDIEB (1957)

Vor 65 Jahren war diese französische Komödie im Kino zu sehen, ich fand sie damals sehr amüsant, und sie ist nicht gealtert. Die literarische Vorlage stammt von Maurice Leblanc. Erzählt werden Geschichten des Pariser Millionärs André Laroche aus dem Jahr 1912, der in geschickter Verkleidung Gemälde, Juwelen und bares Geld stiehlt. Er tut das unter dem Pseudonym Arsène Lupin nur zum Vergnügen. Bei einer Feier des französischen Ministerpräsidenten lernt er die deutsche Adlige Mina von Kraft kennen, zu der sich eine große Nähe entwickelt. Mina ist eine Vertraute von Kaiser Wilhelm II. und arrangiert ein Treffen von André mit dem Kaiser auf dessen Sommerresidenz im Elsass. Der Kaiser wettet mit André, dass er seinen Tresor nicht knacken kann. Die Wette geht unentschieden aus. Am Ende wird ein Maharadscha Opfer von Arsène Lupin, und Mina ist schweigende Zeugin. Jacques Becker hat den Film elegant inszeniert. Robert Lamoureux spielt Laroche in allen Verkleidungen, Liselotte Pulver ist die charmante Mina und O. E. Hasse der deutsche Kaiser. Bei StudioCanal ist jetzt die DVD des Films erschienen. Unbedingt sehenswert. Mehr zur DVD: title/arsene-lupin-der-millionendieb-1957/

Die Faszination des Bösen

Das Böse hat eine starke Präsenz im Kino. Das von Joachim Valentin und Karsten Visarius herausgegebene Buch macht die Vielfalt der Formen deutlich. Es gibt drei Hauptbereiche: Figuren und Typen, Themenfelder, Regisseure. Marcus Stiglegger beschäftigt sich mit dem Bösen im Genrekino Hollywoods. Bei Inge Kirsner geht es um die Typologie des Bösen, um Bösewichte und Verbreche-rinnen, bei Theresia Heimerl um böse Frauen im Film. Karsten Visarius untersucht Aleksandr Sokurovs Tetralogie der Macht. Heike Kühn beschreibt Vampirgestalten im Film, Reinhold Zwick Stationen des Satans im Jesusfilm. Daniela Kalscheuer stellt Überlegungen zu einer Ästhetik des Totalitären im Medium Film an. Peter Malone kommentiert Filme über klerikalen sexuellen Missbrauch. Sein Text wird von Viera Pirker aktualisiert und erweitert. Julia Helmke befasst sich mit dem Bösen und dem evangelikalen Christentum, Georg Seeßlen formuliert eine kleine Phänomenologie kapitaler Kriminologie im Film. Vier Regisseuren und einer Regisseurin sind spezielle Texte gewidmet: bei Norbert Grob geht es um Fritz Lang und seine frühen Dr. Mabuse-Filme, bei Werner Schneider-Quindeau um David Lynchs Transformationen filmischen Erzählens, bei Andreas Engelschalk um Quentin Tarantinos INGLOURIOUS BASTERDS, bei Joachim Valentin um weiblich/männliche Ästhetiken des Bösen im Werk von Kathryn Bigelow, bei Christian Wessely um das alltägliche Böse in FUNNY GAMES und DAS WEISSE BAND von Michael Haneke. Die Beschreibungen sind in der Regel sehr konkret und rufen viele Filmszenen in Erinnerung. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: titel/603-die-faszination-des-boesen-rfm-5.html

Meine Mutter lacht

Chantal Akerman war eine herausragende Regisseurin, es gibt eine Reihe beeindruckender Filme von ihr. Im Oktober 2015 hat sie sich in Paris das Leben genommen. Das Buch „Ma mère rit“ wurde in Frankreich 2013 publiziert. Jetzt ist im Diaphanes Verlag die Übersetzung von Claudia Steinitz erschienen. Unbedingt lesenswert. Wie in ihren Filmen NEWS FROM HOME (1977) und NO HOME MOVIE (2015) erzählt Chantal Akerman Episoden aus dem Leben ihrer Mutter, zu der sie eine sehr enge Beziehung hatte. Während ihrer langen Aufenthalte in New York hat Chantal intensiv mit ihrer Mutter korrespondiert. Erst spät werden die frühen Jahre im Leben der Mutter thematisiert, die Zeit in Auschwitz, der Verlust ihrer Angehörigen, der Neubeginn in Brüssel. Als die Mutter erkrankt, kommen viele Dinge zur Sprache, die bisher ausgeklammert waren. Gleichzeitig erinnert sich Chantal an eigene Freundschaften und Liebesbeziehungen. Verschiedene Zeitebenen führen einen Dialog miteinander. Die Lektüre erfordert die volle Aufmerksamkeit. Abbildungen bringen uns Mutter und Tochter nahe. Mehr zum Buch: .net/titel/meine-mutter-lacht-7365

Filmfestival Venedig

Heute beginnt in Venedig das 79. Filmfestival. Es wird mit dem amerikanischen Film WHITE NOISE von Noah Baumbach eröffnet. Adam Driver und Greta Gerwig spielen die Hauptrollen. Um den „Goldenen Löwen“ kon-kurrieren 23 Filme, darunter ATHENA von Romain Gavras, THE BANSHEES OF INI-SHERIN von Martin McDonagh, BARDO, FALSA CRÓNICA DE UNAS CUANTAS VERDALES von Alejandro G. Inárritu, BLOND von Andrew Dominik, UN COUPLE von Frederick Wiseman, L’IMMENSITÀ von Emanuele Crialese, KHERS NIST von Jafar Panahi, SAINT OMER von Alice Diop, IL SIGNORE DELLE FORMICHE von Gianni Amelio, TÁR von Todd Field und THE WHALE von Darren Aronofski. Ein deutscher Film ist nicht dabei. Die Jury wird präsidiert von Julianne Moore, Mitglieder sind der argentinische Regisseur Mariano Cohn, der italienische Regisseur Leonardo Di Constanzo, die französische Regisseurin Audrey Diwan, die iranische Schauspielerin Leila Hatami, der japanisch-britische Drehbuchautor Kazuo Ishiguro und der spanische Regisseur Rodrigo Sorogoyen. Außer Konkurrenz sind neue Filme von Walter Hill, Olivia Wilde, Lav Diaz, Kim Ki-duk, Oliver Harmanus, Paul Schrader und Paolo Virzi zu sehen. Catherine Deneuve und Paul Schrader bekommen einen Goldenen Ehren-Löwen. Am 10. September werden die Gewinner des Wettbewerbs verkündet. Mehr zum Programm: cinema/2022/venezia-79-competition

Max Winkler

Er agierte vorwiegend im Hintergrund, verfügte über beste Verbindungen und hatte großen Einfluss auf das Pressewesen in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit. Max Winkler (1875-1961) war „ein treuer Diener vieler Herren“, wie es Ulrich Döge in seiner beeindruckend recherchierten Biografie im Untertitel nennt. Geboren in Westpreußen als Sohn eines Lehrers wurde er zunächst Telegraphensekretär, dann Stadtverordneter und kurzfristig zweiter Bürgermeister der Stadt Graudenz. Als Abgeordneter der Preußischen Landesversammlung 1919/20 sammelte er Erfahrungen im überregionalen Bereich. Sein Interesse galt vor allem den Strukturen der Presseverlage, auf die er in den 20er und 30er Jahren aktiv Einfluss nahm. Mit der Gründung der Cautio Treuhand gewann Winkler ab 1929 zunehmend Macht bei der Finanzierung von Unternehmen. Dies betraf in den späten 30er Jahren auch die Filmwirtschaft. So war die Cautio an der Tobis-Filmkunst, Bavaria-Filmkunst, Terra-Filmkunst und Wien-Film beteiligt, ab 1942 auch an der Ufa-Filmkunst. Hier hat Ulrich Döge viele neue Details ermittelt. Insgesamt 2.229 Quellenvermerke beweisen seine Forschungsintensität. In der Nachkriegszeit konnte sich Winkler gegen alle Schuldzuweisungen erfolgreich wehren. Der letzte Satz des Buches heißt: „An Einsicht in das begangene schwerwiegende Unrecht und anderen zugefügte unermessliche Leid mangelte es Max Winkler bis zum Tod.“ (S. 614). Mehr zum Buch: Max-Winkler-Pressetreuhänder-der-Weimarer-Republik-und-der-nationalsozialistischen-Diktatur