Der große Crash

2016-der-grosse-crashEs geht um Wirtschaftskrisen in Literatur und Film. Ausgangs-punkt der Publikation war eine interdisziplinäre Tagung im März 2015 über „Wirtschafts-krisen in der Literatur“ an der Universität Koblenz. 21 Texte sind auch speziell diesem Thema gewidmet. Darunter befinden sich sehr lesenswerte Beiträge über „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe, über Goethe + Thomas Mann, über ökono-mische Motive in der literari-schen Darstellung des Boxens, über Elfriede Jelinek, Kathrin Röggla, Petros Markaris, Rainald Goetz und Terézia Mora. Von den „Krisen im Film der Gegenwart“ handeln drei Texte. Stefan Neuhaus beschäftigt sich mit dem Problem der Krisen- und Kontingenzbewältigung durch Konsum am Beispiel von David Finchers FIGHT CLUB. Von Timo Rouget stammt ein Beitrag über die Finanzkrise 2008 in der Filmkomödie. Er untersucht speziell die dritte Folge der 13. Staffel von SOUTH PARK, verweist aber auch auf MARGIN CALL von J. C. Chandor (dessen deutscher Titel für die Publikation vereinnahmt wurde) und auf den Dokumentarfilm CAPITALISM: A LOVE STORY von Michael Moore. Stéphane Boutin schreibt über die Fernsehserie BREAKING BAD und den Niedergang der Mittelschicht („Das Unbehagen im amerikanischen Traum“). Alle Beiträge sind mit zahlreichen Quellenverweisen wissenschaftlich abgesichert. Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: 87v0f0dmf6

CALL NORTHSIDE 777 (1948)

2017.DVD.Kennwort 7771933 wird der Immigrant Frank Wiecek in Chicago zu einer lebenslänglichen Zuchthaus-strafe verurteilt, weil er einen Polizisten erschossen haben soll. Das Urteil stützt sich auf die Aussage einer Augenzeugin, die ihn erkannt haben will. Elf Jahre später bietet Wieceks Mutter, eine Putzfrau, 5.000 $ Belohnung für die Ergreifung des wirklichen Täters, denn sie glaubt an die Unschuld ihres Sohnes. Der Fall wird zum Thema des Reporters P. J. McNeal der Chicago Times, der bei seinen Recherchen zunehmend neue Indizien für eine falsche Verurteilung findet. Er wird vom Chefredakteur unterstützt, aber von der Polizei bei seinen Ermittlungen behindert. James Stewart als McNeal ist ein idealer Darsteller für die Hauptfigur in diesem Film noir, den Henry Hathaway inszeniert hat. Richard Conte spielt den verurteilten Wiecek, Lee J. Cobb den Chefredakteur, auch kleinere Rollen sind gut besetzt. Phänomenal sind die Schwarzweißbilder des Kameramannes Joseph McDonald. Bei Pidax ist jetzt eine DVD des beeindruckenden Films erschienen, in deutscher und englischer Sprache, mit einem Booklet, das die Reproduktion der Illustrierten Filmbühne und Texte von Reiner Boller zur Entstehung des Films und zu dem Hauptdarsteller James Stewart enthält. Mehr zur DVD: Call-Northside-777-Remastered-Edition::989.html

on location: Kroatien

2016-kroatienDies ist der vierte Band der Reihe „on location – Reiseführer zu den Orten des Kinos“, die im Schüren Verlag erscheint. Er führt uns nach Kroatien, auf den Spuren von WINNETOU und GAME OF THRONES. Ich bin noch nie dort gewesen, aber die beiden Autoren Dirk Brüderle (Rechtsanwalt und Karl May-Fan) und Michael Scholten (Journalist) beschreiben sehr anschaulich die Schauplätze, an denen Karl May-Filme gedreht wurden: den Zrmanja-Canyon, die Plitvicer Seen, den Krka-Nationalpark, die Umgebung von Biograd und Vrklika, die Region um Split, Omis und Tragir. Es gibt Orts- und Wegbeschreibun-gen, aber auch Anekdoten über Dreharbeiten. Ein eigenes Kapitel ist dem neuen RTL-WINNETOU gewidmet. Karl May-Filme sind der Schwerpunkt des Bandes. Aber wir werden auch nach Dubrovnik geführt, wo in der Altstadt seit 2011 Außenaufnahmen für GAME OF THRONES gedreht werden, 2014 Aufnahmen zu der Reihe DIE BORGIAS, 2016 zur Reihe KNIGHTFALL und zu STAR WARS – EPISODE VII entstanden. In der kleinen Hafenstadt Senj realisierte 1979 – vielleicht erinnert sich noch jemand – Fritz Umgelter die 13-teilige Serie DIE ROTE ZORA UND IHRE BANDE fürs ZDF. In Zagreb, der Hauptstadt Kroatiens, sind natürlich viele Filme gedreht worden, u.a. auch DER PROZESS von Orson Welles. Das Buch enthält viele Abbildungen in guter Qualität, sowie Register der Filme und Orte. Coverfoto: Pierre Brice und Lex Barker in WINNETOU. Mehr zum Buch: winnetou-und-game-of-thrones.html

Die geheime Geschichte von TWIN PEAKS

2016-twin-peaksReal gibt es das Holzfäller-städtchen Twin Peaks im Nordwesten der USA natür-lich nicht. Es ist eine Erfindung von David Lynch und Mark Frost für eine Fernsehserie, die Anfang der 90er Jahre von ABC ausge-strahlt wurde und viele Fans hatte. Nach zwei Staffeln wurde sie eingestellt. Der als Prequel konzipierte Film TWIN PEAKS – FIRE WALKS WITH ME kam 1992 in die Kinos und war ein Flop. Jetzt ist – nach 25 Jahren – die dritte Staffel angekündigt, und der Autor Mark Frost lässt ihr einen „Roman“ vorausgehen, „Die geheime Geschichte von Twin Peaks“, der in Deutschland bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist und formal wenig mit einem Roman zu tun hat. Es ist ein geheimes FBI-Dossier, angelegt von einem „Archivar“, das uns mit vielen Faksimiles und Dokumenten konfrontiert, beginnend mit den Expeditionstagebüchern von William Clark und Meriwether Lewis aus dem Jahr 1805 und dem seltsamen Tod von Lewis. Wir bekommen Informationen zum Wirken des Häuptlings Joseph der Nez-Percé-Indianer, werden in Twin Peaks verortet, erfahren aus der Twin Peak Gazette von einem riesigen Fußabdruck, den die Pfadfinder Andrew Packard und Douglas Milford 1927 fotografiert haben, werden mit Dokumenten über die Ufo-Sichtungen 1947 aufgeklärt und sind schließlich ganz nahe bei dem Verleger der Twin Peaks Gazette, Douglas Milford, und seinem Bruder Dwayne, dem Bürgermeister, die miteinander verfeindet sind. Auch Präsident Richard Nixon kommt ins Spiel. Und am Rande der Dokumente lesen wir die Kommentare der Agentin Tamara Preston, die den „Archivar“ ermitteln soll, der das Dossier angelegt hat. Vom Inhalt der dritten Staffel erfährt man im Übrigen nichts, aber das ist nicht schlimm, denn das Buch ist in seinen mysteriösen Kombinationen spannend genug, um mindestens all jene in Atem zu halten, die mit TWIN PEAKS vertraut sind und sich auf die Fortsetzung freuen. Auch drucktechnisch ist der Band außergewöhnlich. Für die deutsche Übersetzung war Stephan Kleiner zuständig. Mehr zum Buch: 978-3-462-04815-5/

Militärische Leitbilder

2016-militaerische-leitbilderKlaus Kanzog (*1926) hat viele Jahre an der Ludwig-Maximi-lians-Universität München am Institut für Deutsche Philologie für die Etablierung der „Film-philologie“ gekämpft und in seinen zahlreichen Publika-tionen vor allem für historische Genauigkeit plädiert. Sein Handbuch zu 30 deutschen Spielfilmen der Jahre 1934 bis 1945 „Staatspolitisch besonders wertvoll“ (1994) ist mir unter den Büchern zum NS-Film besonders wichtig. Im Verlag Traugott Bautz ist jetzt eine Studie über „Militärische Leitbilder in Spielfilmen der Bundesrepublik der 50er Jahre“ erschienen, in der es um Fragen der Geschichtsvermittlung geht. Der Untertitel des Buches heißt „Faktizität, Kunstfreiheit, Rhetorik“. Kanzog untersucht acht Filme in ihrer argumentativen Nähe zur damaligen Debatte um die deutsche Wiederbewaffnung. Dies sind DES TEUFELS GENERAL (1954) von Helmut Käutner nach dem Theaterstück von Carl Zuckmayer, zwei Filme von Alfred Weidenmann: DER STERN VON AFRIKA (1957) und CANARIS (1954), vier Filme von Frank Wisbar: HAIE UND KLEINE FISCHE (1957), FABRIK DER OFFIZIERE (1960), HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN (1958) und NACHT FIEL ÜBER GOTENHAFEN (1969) und URLAUB AUF EHRENWORT (1959) von Wolfgang Liebeneiner. Ein eigenes Kapitel ist den neuen politischen Rahmen­bedingungen Mitte der 50er Jahre gewidmet. Hochinteressant ist der Drehbuchkonflikt bei CANARIS zwischen Erich Ebermayer und Herbert Reinecker. Beim STERN VON AFRIKA gibt es Exkurse zu Weidenmanns JUNGE ADLER (1944) und Roy Ward Bakers EINER KAM DURCH (1957). Mehrfach werden die Romanvorlagen mit den Filmen (bei Frank Wisbar) verglichen. Und bei Liebeneiner geht der Blick zurück zu Karl Ritters Film mit demselben Titel aus dem Jahr 1938. Zum Schluss folgen Koordinaten der filmischen Wahrnehmung: Wehrmacht, Doppelstaat, Kinoerlebnis, Charisma und eine Konklusion zu Geschichtlichkeit und Geschichtsbewusstsein. Ein interessantes Buch zum bundesdeutschen Film der 50er Jahre. Mehr zum Buch: 9783959481731.html

Kinematographische Differenz

2016-kinematographische-differenzEine Dissertation, die an der Uni-versität Klagenfurt entstanden ist. Markus Brandstätter bewegt sich im abstrakten Raum und erforscht den Kinematographen „als Schema und Modell des transzendentalen Voll-zugs“. Er wird dabei von Heidegger, Kant und Deleuze unterstützt. Ein Schlüsselsatz ist die erste Anmer-kung: „Zeichenbewegungen in [ ] sind [begrifflich] und als [Modell] zu gebrauchen.“ Gefühlt jedes dritte Wort auf den 110 Seiten ist in eckige Klammern gesetzt und hat insofern doppelte Bedeutung. Das macht die Lektüre ziemlich anstrengend. Vier Filme bringt der Autor bei seinem wissenschaftlichen Experiment ins Spiel: LOST HIGHWAY von David Lynch, CITIZEN KANE von Orson Welles, DER MANN MIT DER KAMERA von Dziga Vertov und MOBY DICK von John Huston. Mit Abbildungen. Nur für Akademiker geeignet, nicht für Cineasten. Mehr zum Buch: kinematographische-differenz

Reise durch die Schweizer Kinolandschaft

2016-rex-roxy-royalIn der Schweiz gab es 2015 insgesamt 273 Kinos, die meisten natürlich in den Groß-städten Zürich, Bern, Basel und Genf, aber auch in kleineren Orten wie Altdorf, Burgendorf oder Dübendorf. In dem wunderbaren Buch „Rex, Roxy, Royal“, das Sandra Walti und Tina Schmid im Christoph Merian Verlag herausgegeben haben, werden 111 Kinos in Wort und Bild vorgestellt: eine Reise durch die Schweizer Kinolandschaft, eine Hommage an die Betreiber, eine Einladung an die Besucher. Die Texte zu den Kinos sind in den jeweiligen Landessprachen verfasst: Deutsch, Französisch, Italienisch, im Anhang finden sich deutsche Übersetzungen. 16 Autorinnen und Autoren haben mitgearbeitet und informieren über die Geschichte, die Ökonomie und die speziellen Programme. Beeindruckend: die doppelseitigen Abbildungen der Säle, die natürlich ganz unterschiedlich gestaltet sind. Zehn Kinos aus Zürich werden vorgestellt, sie sind uns alle – bis auf die neue Arena – gut bekannt: Alba, Piccadilly, Le Paris, Corso, Filmpodium, Riffraff, Roland, Xenix, Uto. Am liebsten würde ich sofort, mit dem Buch in der Tasche, kreuz und quer durch die Schweiz reisen. Ich hoffe, dass es die Kinos noch lange gibt. Mehr zum Buch: 9b9a-e4edb112ff9d

DER PROZESS (1975-81/84)

2016-dvd-der-prozessDer Majdanek-Prozess in Düsseldorf gegen Angehö-rige des Konzentrations-lagers dauerte von 1975 bis 1981; es war das bisher längste Strafverfahren in der Geschichte der Bundes-republik. Eberhard Fechner, einer der großen Regisseure der deutschen Fernseh-geschichte, hat darüber einen Dokumentarfilm gemacht, an dem er acht Jahre gearbeitet hat. Der Film dauert viereinhalb Stunden, er wurde in drei Teilen 1984 in den Dritten Programmen des Deutschen Fernsehens ausgestrahlt und ist jetzt erstmals bei Absolut Medien als DVD verfügbar. Der Film besteht aus Interviews, Fotos und Filmaufnahmen. Zu Wort kommen ausschließlich Prozessbeteiligte, die von Fechner befragt wurden. Einen Kommentar gibt es nicht. Es ist beeindruckend, mit welcher Sensibilität Fechner und seine Schnittmeisterin Brigitte Kirsche aus insgesamt 230 Stunden Material einen Film montiert haben, in dem vor allem die Verdrängungsversuche der angeklagten ehemaligen SS-Bewacherinnen und -Bewacher – im Film: zwei Frauen, drei Männer – deutlich werden. Die drei Teile haben die Titel „Anklage“, „Beweisaufnahme“, „Urteile“. Unter den Prozessbeobachtern, die für den Film befragt wurden, befindet sich auch der polnische Regisseur Jerzy Bossak. Das Booklet zur DVD enthält einen Text von Eberhard Fechner zur Entstehung des Films mit vielen interessanten Informationen und eine Auflistung der Mitwirkenden. Die Publikation dieser DVD ist eine große Tat! Mehr zur DVD: Eberhard+Fechner%29

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

2017-jugendmedienschutzDen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) gibt es seit 2003. Er verbindet erstmals die Jugendmedienschutzbestim-mungen, die früher im Rundfunkstaats-vertrag und im Staatsvertrag über Medien-dienste getrennt geregelt waren. Es geht dabei um den einheitlich Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in Rundfunk und Telemedien, die deren Entwicklung und Erziehung beeinträch-tigen oder gefährden und um den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen vor Angeboten, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. Zuständig dafür sind alle deutschen Bundesländer. Eine erste Novellierung scheiterte 2010 an den Einsprüchen von Nordrhein-Westfalen, Streitpunkt war die Alterskennzeichnung von Websites. 2015 wurde ein Kompromiss gefunden, der im Oktober 2016 in Kraft getreten ist. In der Reihe „NomosKommentar“ gibt es jetzt ein umfangreiches Werk, das den novellierten Staatsvertrag in vielen Details kommentiert. Herausgeber sind der Justiziar der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Prof. Roland Bornemann, und der Justiziar der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, Prof. Murad Erdemir. Sie werden in den Kommentaren von neun Fachleuten aus verschiedenen Bundesländern unterstützt. Mit fast 500 Seiten hat das Buch einen beeindruckenden Umfang. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert den Zugang bei speziellen Fragestellungen. Mehr zum Buch: product=13210

Das Ja-Experiment

2016-ja-experimentShonda Rhimes (*1970) schreibt Drehbücher für so erfolgreiche Serien wie GREY’S ANATOMY, PRIVATE PRACTICE und SCANDAL, galt aber privat als menschenscheu und ängstlich, bis sie eines Tages beschloss, ein Jahr lang zu allem Ja zu sagen: zur Sonne, zur Wahrheit, zum Spiel, zu ihrem Körper, zur Mitgliedschaft im Club, zu Menschen, zum Austanzen mit den richtigen Leuten, zu sich selbst. Das hat sie zu einem sehr mitteilsamen Buch veranlasst, in dem die Konsequenzen des Jas detailliert erzählt werden. Es gibt originelle Momente, aber auch Durststrecken und Redundanzen, die man überwindet, wenn man ein paar Seiten weiterblättert. So hat man das Buch relativ schnell gelesen und stellt am Ende fest, dass jemand, der gute Drehbücher schreibt, nicht unbedingt Spannendes über sich selbst schreiben muss. Mit farbigen Abbildungen. Mehr zum Buch: das+ja+experiment