Ken Loach

Dem Werk des britischen Regis-seurs Ken Loach (*1936) ist das neue Heft der Film-Konzepte gewidmet. Die Herausgeberin Claudia Lillge würdigt ihn zunächst in einem längeren Vorwort. In sieben Texten geht es dann um einzelne Filme von Loach. Lillge erinnert an den frühen Film KES (1969), der die Geschichte eines 14jährigen Jungen erzählt. Christoph Büttner schreibt über THE NAVIGATORS (2001), dessen Thema die Privatisierung der British Rails ist. Felix T. Gregor äußert sich zu dem multikultu-rellen Sozialdrama AE FOND KISS (2004). Ralf Schneider informiert über IT’S A FREE WORLD… (2007), der von der Erosion der britischen Arbeiterklasse handelt. Von Eckart Voigt stammt ein Beitrag über Ken Loachs Historienfilm zum irischen Bürgerkrieg, THE WIND THAT SHAKES THE BARLEY (2006). Daniel Illger untersucht ROUTE IRISH (2010) und Klaus Peter Müller fragt, was an dem Film THE ANGEL’S SHARE (2012) konventionell oder revolutionär ist. Auszüge aus einem Gespräch mit Ken Loach von Dagmar Brunow (2015) schließen den Band ab. Mit Biografie und Filmliste. Da ich ein großer Anhänger der Filme von Ken Loach bin, habe ich den Band mit besonderem Interesse gelesen. Coverfoto: I, DANIEL BLAKE (2016). Mehr zum Buch: Wnxhp-kqtW8

Star Gazing

Eine Dissertation, die an der Kunstuniversität Linz (Öster-reich) entstanden ist. Nadine Seligmann untersucht darin Strategien der medialen Inszenierung bei Alfred Hitchcock und Gilbert & George. Die Cameo-Auftritte des Regisseurs in seinen Filmen sind legendär, die Selbstdarstellung des briti-schen Künstlerpaars wurde der Öffentlichkeit vor allem auf Fotografien bekannt. Nach einem Theorieteil widmet sich die Autorin den verschiedenen Formen der Selbstinszenierung ihrer Protagonisten. Sie beschäftigt sich zunächst mit den TV-Serien ALFRED HITCHCOCK PRESENTS (1955-1962) und THE ALFRED HITCHCOCK HOUR (1962-1965), in denen die Titelsequenzen eine große Rolle spielen, und beschreibt den Film THE WORLD OF GILBERT & GEORGE (1981), der die beiden als Akteure im Londoner East End zeigt. In jeweils einem Kapitel geht es dann um die Cameos von Alfred Hitchcock und die Videos von Gilbert & George. Es folgen Alfred Hitchcocks Filmtrailer und andere audiovisuelle Werbemaß-nahmen und die Ausstellungstrailer von Gilbert & George. Anschließend richtet sie den Blick auf die Printwerbung von Hitchcock und die „Pictures“ von G & G. Die Schlusskapitel untersuchen die Fotografien von Hitchcock zwischen Momentaufnahme und Massenreproduktion, von G & G in der Differenz von Porträt, Inszenierung und Performativität. Eine interessante Dissertation mit vielen Hinweisen auf wirksame Werbeeffekte. Mit Abbildungen. Mehr zum Buch: alfred-hitchcock-und-gilbert-und-george

Erika Richter

Sie hat Dramaturgie an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg studiert, war Redakteurin der Zeitschrift Filmwissenschaftliche Mitteilungen, promovierte 1976 mit einer Arbeit über „Alltag und Geschichte in DEFA-Gegen-wartsfilmen der siebziger Jahre“, hat 16 Jahre als Dramaturgin DEFA-Filme u.a. von Evelyn Schmidt, Rainer Simon, Lothar Warneke, Roland Gräf, Heiner Carow, Iris Gusner und Siegfried Kühn betreut, war Herausgeberin der Zeit-schrift Film und Fernsehen, Mitherausgeberin des Jahrbuchs „apropos: Film“ und hat viele Texte in Zeitungen und Zeitschriften publiziert. Im Januar hat Erika Richter im Kino Arsenal, dem sie seit langer Zeit eng verbunden ist, ihren 80. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass hat die DEFA-Stiftung eine Festschrift veröffentlicht, die Erikas „Liebe zum Kino“ dokumentiert. Besonders berührend: ihr Text „Aus meinem Leben“ (November 2017), beeindruckend: ihr Text „Fragmentarische Bemerkungen zu einigen wesentlichen Filmen“ (2004). In fünf Beiträgen geht es um Schicksale und Authentizität im deutschen Film, konkret um Slatan Dudow, Helma Sanders-Brahms, Volker Koepp, Barbara Junge und Thomas Mauch. Sechs Essays sind dem internationalen Kino gewidmet: dem polnischen Dokumentarfilm MUSIKANTEN, dem Regisseur Carlos Alvarez, dem Dokumentarfilm Mittel- und Osteuropas, dem italienischen Regisseur Elio Petri, dem Werk des armenischen Dokumentarfilmregisseurs Harutyun Khachatryan (mit Gespräch) und einer Filmreihe zum Genozid der Armenier. In acht sehr lesenswerten Texten werden Heiner Carow, Erwin Geschonneck, Konrad Wolf, Lothar Warneke, Helga Reidemeister, Ulrich Weiß, Evelyn Schmidt und Karl Gass porträtiert. Dokumentiert sind am Ende ein Gespräch mit Erika Richter (1990), Erinnerungen an das Filmprojekt „Paule Panke“ (2010) und Erikas Text für die Festschrift zu meinem 60. Geburtstag über Michail Kalatosows Film WENN DIE KRANICHE ZIEHEN. Dorit Molitors Laudatio zum Programmpreis der DEFA-Stiftung 2012 für Erika Richter schließt die Festschrift ab. Was für ein schönes Geburtstagsgeschenk! Mehr zur Publikation: defa-stiftung.de/sonstiges

DAS MÄDCHEN CHRISTINE (1948)

Eine Geschichte aus dem Dreißigjährigen Krieg. Das Mädchen Christine, ein Waisenkind, verliebt sich in den Obristen Graf Merian. Sie ver-kleidet sich als Mann, wird Trossjunge und später Kornett. Sie erkennt, dass Merian durch den Krieg brutalisiert wurde und bekommt dies selbst zu spüren. Sie erschießt ihn im Duell, wird als Kornett zum Tode verurteilt und als Frau freigesprochen. Eine Produktion der DEFA, 1948 unter der Regie von Arthur Maria Rabenalt gedreht, dem von der SED-Presse „Verherrlichung fa-schistischer Gedankengänge“ vorgeworfen wurde. Diese Einschätzung muss man, siebzig Jahre später, nicht teilen. Der Schwarzweiß-Film wirkt heute sehr professionell, die Kameraführung (Eugen Klagemann) ist souverän, die Bauten (Emil Hasler) sind beeindruckend. In den Hauptrollen: Wolfgang Lukschy als Graf Merian und Petra Peters als Christine bzw. Christian. Bei den Filmjuwelen ist jetzt eine DVD des Films erschienen. Mit einem sehr informativen Booklet von Ralf Schenk. Mehr zur DVD: p_28%3A-pidax

Die Kinometropole Hamburg in der NS-Zeit

Das Filmprogramm in den Hamburger Kinos war zwischen 1933 und 1938 vielfältiger als man gemeinhin denkt, erst mit Kriegsbeginn wurde die Film-auswahl deutlich einge-schränkt. Zu diesem Ergebnis kommen die von Harro Segeberg vorgenommenen Fallstudien, an denen verschiedene Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter innerhalb eines Projekts der Deutschen Forschungsgemein-schaft mitgewirkt haben. In drei Kapiteln wurden die Programme der Jahre 1933/34, 1938 und 1940/41 ausgewertet. Gründlich recherchiert wurde dabei auch die Resonanz der Hamburger Presse. Besonders interessant finde ich das Kriegskapitel, das sich sehr detailliert mit der Programmästhetik der Komödie und des Unterhal-tungsfilms, des Melodrams und des „ernsten“ Film, des Propaganda-films und speziell mit dem Film JUD SÜSS beschäftigt. Prof. Harro Segeberg war ein Grenzgänger zwischen Literatur und Film, hatte zuletzt eine Professur für Medien an der Universität Hamburg und starb im Mai 2015. Das jetzt vorliegende Buch konnte er noch selbst vollenden. Es enthält zahlreiche Abbildungen, aber leider keinen Nachruf auf den Verfasser. Mehr zum Buch: WnhAJOkqtW8

Zwischen Hören und Sehen

Eine Masterarbeit, die an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ entstanden ist. Die Schnittmeisterin Dessi Thomas untersucht darin Musik und Montage im zeitgenössi-schen französischen Spielfilm. Ihre Analysen konzentrieren sich auf drei Filme: MUSTANG (2015) von Deniz Gamze, MICHAEL KOHLHAAS (2013) von Arnaud des Pallières und TIMBUKTU (2014) von Abder-rahmane Sissako. Alle drei Filme handeln von individuellem Widerstand gegen Ungerech-tigkeit innerhalb religiöser Systeme. Die Autorin hat jeweils eine kurze Inhaltsangabe formuliert, informiert über die Verantwortlichen für Regie, Montage und Musik und analysiert Montage, Sound und Filmmusik. Eine tabellarische Auflistung der Musik-Cues ist angefügt. Mit Zeichnungen von Fabio Purino (auch das Cover stammt von ihm). Eine sehr solide Arbeit. Mehr zum Buch: zwischen-horen-und-sehen.html

Cinema 63: Zukunft

Das Schwerpunktthema des Schweizer Filmjahrbuchs ist diesmal „Zukunft“. Acht Essays sind ihm gewidmet. Simon Spiegel denkt darüber nach, warum fiktionale Science-Fiction-Filme fast ausschließ-lich eine dystopische Zukunft entwerfen, während positive Utopien mehr in Dokumentar- und Propagandafilmen gezeigt werden. Stella Castelli analy-siert die Filme HER von Spike Jonze und THE STEPFORD WIVES von Frank Oz und stellt fest, dass die Kommunikation zwischen Menschen und künstlichen Intelligenzen vor allem an emotionalen und körperlichen Differenzen scheitert. Rebecca Boguska untersucht die Wirkung einer pornografi-schen Virtuality-Installation. Margarete Wach beschäftigt sich mit Sci-Fi-Visionen im Kino Osteuropas. Bei Maren Kiessling geht es um das Potenzial von Fulldome-Filmen (360°-Kino). David Grob richtet seinen Blick auf die HBO-Serie WESTWORLD, in der die Besucher eines Vergnügungsparks auf humanoide Roboter treffen. Monique Schwitter vermittelt ihre Erfahrungen mit „schlüpfrigen“ Virtual-Reality-Filmen. Denis Newiak beschäftigt sich mit der Geschichte des Mars-Films und den erkennbaren Veränderungen. Henriette Bornkamm, Kristina Köhler und Marian Petraitit haben ein interessantes Gespräch über Herausforderungen und Möglichkeiten neuer Technologien mit dem Medienwissenschaftler William Uricchio geführt. Eine Bildstrecke dokumentiert biomechanische Zukunftsvisionen von HR Giger. Im CH-Fenster geht es in zwei Beiträgen um die Zukunft des Archivierens. Der „Filmbrief“ kommt in diesem Jahr aus Schanghai. In der „Sélection Cinema“ werden wieder 34 Schweizer Filme der Saison 2016/17 vorgestellt. Wie in jedem Januar: ein lesenswertes Jahrbuch. Mehr zum Buch: titel/568-zukunft.html

Mauern, Grenzen, Zonen

16 Texte über politisch oder sozial geteilte Städte in Literatur und Film, herausgegeben von Walburga Hülk und Stephanie Schwerter im Universitätsverlag Winter. In sieben Beiträgen stehen Filme im Fokus. Bei Stephanie Schwerter geht es um Belfast und Beirut aus der Sicht von Jugendlichen. Die Filme sind TITANIC TOWN (1998) von Michell Roger und WEST BEIRUT (1998) von Ziad Doueiri, die beide in den frühen 1970er Jahren spielen. Auch Angela Vaupel richtet ihren Blick auf Belfast; sie untersucht die Darstellung von Raum und kindlichen Grenzerfahrungen in MICKYBO AND ME (2004) von Terry Loane. Marijana Erstić beschäftigt sich mit dem rituellen Städtemord in Sarajewo bei Theo Angelopoulos (DER BLICK DES ODYSSEUS, 1995) und in Texten des Architekturwissen-schaftlers Bogdan Bogdanović. Gregor Schuhen erinnert an das geteilte Paris in Schwarzweiß in dem Film LA HAINE (1995) von Mathieu Kassovitz. Die erste Hälfte des Films spielt sich in der Banlieue ab, der zweite Teil ist in der Innenstadt von Paris angesiedelt. Christian von Tschilschke äußert sich zu Gated Communities in der Literatur und im Film Lateinamerikas. Bei Daniel Winkler geht es vor allem um die soziopolitischen Spaltungen Marseilles in dem Film L’ARGENT FAIT LE BONHEUR (1993) von Robert Guédiguian. Pierre-Jacques Olagnier und Stephanie Schwerter geben einen Überblick über die Stadt im Science-Fiction-Film. Die Filmbeschreibungen wirken jeweils sehr präzise, die Texte sind sehr informativ und öffnen den Blick über Mauern, Grenzen und Zonen. Mehr zum Buch: Mauern_Grenzen_Zonen/

Es lebe das Kino!

Heute Abend findet in der Akademie der Künste am Pariser Platz ein Gespräch zur Situation des Kinos in Deutschland statt. Unter dem Titel „Es lebe das Kino!“ diskutieren ab 20 Uhr unter der Leitung des SPIO-Präsi-denten Alfred Holighaus der Geschäftsführer der Yorck-Kinogruppe und Vorsitzende der AG Kino Christian Bräuer, der Vorstand der Filmförde-rungsanstalt Peter Dinges, der Produzent und Regisseur Hans W. Geißendörfer, der Betreiber des Kinos „Filmpalette“ Joachim Kühn und die Präsidentin der Akademie der Künste Jeanine Meerapfel. Ich bin gespannt. Foto: „Utopolis Filmtheater“ in Coburg. Mehr zur Veranstal-tung: date=2018-02-06

Ida Lupino

Heute ist ihr 100. Geburtstag zu feiern. Ida Lupino war als Schauspielerin ein Star in Filmen von Michael Curtiz, Raoul Walsh oder Curtis Bern-hardt und stand selbst als Regisseurin hinter der Kamera. Frieda Grafe: „Ihre Filme, die fest verwurzelt sind im Holly-woodsystem, sind gleichzeitig voller Details, vom Rhythmus bis zu Inszenierungseinfällen, die man in Filmen von Männern nie sieht.“ (SZ, 9.10.1984). Ihr ist jetzt, herausgegeben von Elisabeth Bronfen, Ivo Ritzer und Hannah Schoch im Verlag Bertz + Fischer, ein Buch gewidmet, das ihr Leben und Werk angemessen würdigt. Elisabeth Bronfen und Hannah Schoch geben einen Überblick („Ida Lupinos Arbeit am American Dream“). Barbara Straumann informiert über ihre Biografie („Very British: Eine Engländerin in Amerika“). Elisabeth Bronfen richtet ihren Blick auf die Schauspielerin („Ein eigenwilliger Star in Hollywood“). Hannah Schoch äußert sich zur Regisseurin („Die Verhandlerin: Ida Lupino hinter der Kamera“). Fabienne Liptay sieht sie in sozialen Zusammenhängen: vor Gericht, auf dem Balkon, in institutioneller Pflege, auf dem Tennisplatz, im Bus, in der Wüste. Lukas Foerster entdeckt Plansequenzen zwischen Form und Ethik. Johannes Binotto analysiert die Kadrage in Ida Lupinos Regiearbeiten. Ivo Ritzer untersucht die Mettrice-en-scène in ihren Fernseharbeiten. Sieben Texte sind dann Ida Lupinos Kinofilmen gewidmet: NOT WANTET (1949, Beitrag von Hannah Schoch), NEVER FEAR (1949, Morgane A. Gillardi), OUTRAGE (1950, Elisabeth Bronfen), HARD, FAST AND BEAUTIFUL (1951, Elisabeth Bronfen), THE BIGAMIST (1953, Johannes Binotto), THE HITCH-HIKER (1953, Stella Castelli), THE TROUBLE WITH ANGELS (1966, Murièle Weber). Basis für die Publikation war eine Reihe des Filmpodiums Zürich und des Doktoratsprogramms des Englischen Seminars der Universität Zürich. Lesenswerte Texte, Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: idalupino.html