Jahrbuch Fernsehen 2018

Das „Jahrbuch Fernsehen“ gibt es seit 1991, es wurde von Lutz Hachmeister, Knut Hickethier und Karl Prümm begründet. Koordinierender Herausgeber ist das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik in Köln mit dem geschäftsführenden Direktor Lutz Hachmeister. In der Struktur hat sich das Jahr-buch wenig verändert. Es gibt Essays zur Medienlandschaft, einen Jahresrückblick und einen faktografischen Serviceteil. Philipp Alvares de Souza Soares beschäftigt sich mit dem amerikanischen Konzern „Vice Media“, Volker Nünning informiert über den anhaltenden Reformdruck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz, Julia Bähr richtet ihren Blick auf die Netflix-Schöpfung THE CROWN und derern dritte Staffel, Hans Hütt beschäftigt sich mit der Dokumentation IM LABYRINTH DER MACHT von Stephan Lamby. Lutz Hachmeister hat ein Gespräch mit dem Mitbegründer der bildundtonfabrik Philipp Käßbohrer geführt. Der Rückblick auf das Fernsehjahr 2017 mit zehn Analysen und zehn Bildern stammt wieder von Dietrich Leder und ist stark auf die Politik fokussiert. 46 Einzelkritiken gelten einzelnen Sendungen oder Serien. Auf 28 Seiten sind die drei wichtigsten Fernsehpreise aufgelistet: Der Deutsche Fernsehpreis 2018, die 54. Grimme-Preise 2018 und der 34. Robert Geisendörfer-Preis 2017. Der Serviceteil informiert über das TV-Angebot, Produktionsfirmen und Dienstleister, Institutionen, Aus- und Weiterbildung, Branchentermine, Festivals und Fernsehpreise der kommenden Monate, sowie Zeitungen und Zeitschriften mit Medienredaktionen und Fachpublikationen. Eine abschließende Liste enthält Daten und Fakten zu Kritikerinnen und Kritikern. Mit vielen Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: jahrbuch-fernsehen.de

Zwei Western-Legenden

Zwei neue „Western-Legenden“ bei Koch Media. TREFFPUKT FÜR ZWEI PISTOLEN (1964) von Richard Wilson erzählt die Geschichte des Farmers Matt Weaver, der aus dem Sezessi-onskrieg nach Pecos in New Mexico zurückkehrt und damit konfrontiert wird, dass seine Farm von einem Banker als „Feindeigentum“ versteigert wurde und seine Freundin in-zwischen einen Warenhaus-besitzer geheiratet hat. Er will sich sein Recht erkämpfen, aber die Bürger der Stadt haben den Gunman Jules Gaspard d’Estaing engagiert, um Weaver zu beseitigen. Eine spannende Geschichte mit Showdown und einem für Matt Weaver glücklichen Ende. George Segal spielt Weaver und muss sich am Ende gegen Yul Brynner (d’Estaing) behaupten. Gute Darstellung, raffinierte Erzählweise. Im informativen Booklet porträtiert Fritz Göttler die Darsteller und den Regisseur. Mehr zur DVD: western_legenden_57_dvd/

UM KOPF UND KRAGEN (1957) von Budd Boetticher ist der zweite Film aus dem sieben-teiligen „Ranown-Zyklus“. Der Farmer Pat Brennan (Randolph Scott) gerät zusammen mit einem frisch verheiraten Ehepaar in die Gewalt einer Dreierbande mit dem Boss Frank Usher (Richard Boone). Lösegeldforderungen und wechselnde Personenkon-stellationen sorgen für ständig steigende Spannung. Am Ende sagt Brennan zur inzwischen verwitweten Ehefrau „Es wird noch ein schöner Tag werden.“ Nach einer Story von Elmore Leonhard. Zum Bonusmaterial gehören Audiokommentare der Filmhistorikerin Jeanine Basinger und des Autors Leonhard sowie ein längeres Statement von Martin Scorsese. Fritz Göttler in seinem Booklet-Text: „Die beiden Gegenspieler sind in diesem Film einander so ähnlich wie in keinem anderen Boetticher-Western. Im Spiel von Randolph Scott und Richard Boone scheint diese Verwandtschaft immer wieder auf.“ Mehr zur DVD: western_legenden_58_dvd/

Deutsche Selbstbilder in den Medien

13 Texte über Gesellschafts-entwürfe in Literatur und Film der Gegenwart. In sechs Bei-trägen spielt das Medium Film eine zentrale Rolle. Matthias Herz beschäftigt sich mit Marcus H. Rosenmüllers Film SCHWERE JUNGS („Deutsch-lands Goldmedaille in Weiß-Blau“). Bei Peter Klimczak & Krystyna Jablonska geht es um zeitgenössische Adaption und Reflexion des ‚deutschen Nationalepos’ in Literatur und Film („Das Blut der Nibelun-gen“). Sie schlagen den Bogen von Fritz Lang zu Uli Edel und Sven Unterwaldt, äußern sich aber auch zu Moritz Rinke („Die Nibelungen“, 2002) und Bernd Frenz („Das Blut der Nibelungen“, 2011). Jan-Oliver Decker untersucht die Konzeption des Nationalsozialismus im Gegenwartsfilm der Bundesrepublik („Mein Führer“), zum Beispiel in DER UNTERGANG von Oliver Hirschbiegel, SPEER UND ER von Heinrich Breloer, DRESDEN – DAS INFERNO von Roland Suso Richter, MEIN FÜHRER – DIE WIRKLICH WAHRSTE WAHRHEIT ÜBER HITLER von Dani Levy, JUD SÜSS – FILM OHNE GEWISSEN von Oskar Roehler und UNSERE MÜTTER, UNSERE VÄTER von Philipp Kaldenbach. Dennis Gräf befasst sich mit dem Erzählen von ‚1968’ im deutschen Gegenwartsfilm, u.a. in KOLLE – EIN LEBEN FÜR LIEBE UND SEX von Susanne Zanke, DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI von Hans Weingartner, ELEMENTARTEIL-CHEN von Oskar Roehler, DIE UNERZOGENEN von Pia Marais, DUTSCHKE von Stefan Krohmer und SOMMER IN ORANGE von Marcus H. Rosenmüller. Christer Petersen vergleicht den Roman „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche (2008) mit der Verfilmung von David Wnendt (2013). Steffie Krause informiert über Beziehungs- und Geschlechterkonstrukte im SAT1-Dienstagsfilm („Liebe in anderen Umständen“). Wissenschaftlich fundiert, interessant zu lesen. Mit wenigen Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: selbstbilder-in-den-medien.html

Clownsmasken im Film

Eine Dissertation, die an der Universität Zürich entstanden ist. Yvonne Augustin untersucht darin „Wie Maskierungen kultu-relle Ängste enthüllen“. Im theoretischen Teil (100 Seiten) richtet die Autorin ihren Blick auf die Figur des Clowns (u.a. Begriff, Etymologie, Erschei-nungsbild, Funktionen, Sexua-lität, Marginalität, Einsamkeit, Ordnung) und auf die Maske und ihre Verbindung zu Identität und Rolle. Im analytischen Teil (180 Seiten) geht es um vier Aspekte, die jeweils mit vielen Einzelbei-spielen und einem zentralen Film dargestellt werden: 1. Die Clownsmaske als Ausdruck der Beur-teilung anderer. Im Mittelpunkt steht hier DER BLAUE ENGEL (1930) mit Emil Jannings von Josef von Sternberg. 2. Die Clownsmaske als Tarnung und Rettung. Zentraler Film: SLEUTH (1972) von Joseph L. Mankiewicz mit Michael Caine. 3. Die Clownsmaske als Spur der Vergangenheit. Film: BALADA TRISTE DE TROMPETA (2010) von Álex de la Iglesia mit Carlos Areces. 4. Die Clownsmaske als Ausdruck des Willens zur Veränderung. Film: PALJAS (1998) von Katinka Heyns, in dem die Clownsfiguren Hoffnungsträger für ein neues Südafrika sind. Insgesamt 120 Filme hat die Autorin in ihre Untersuchung einbezogen, darunter natürlich auch den James Bond-Film OCTOPUSSY von John Glenn und den Batman-Film THE DARK KNIGHT von Christopher Nolan, die Fellini-Filme LA STRADA und I CLOWNS, LES ENFANTS DU PARADISE von Marcel Carné, AKROBAT SCHÖ-Ö-ÖN! von Wolfgang Staudte und LIMELIGHT von Charles Chaplin. Sie vermittelt die Befunde ihrer Analysen sehr anschaulich und konkret. Ich habe lange keine so interessante Dissertation gelesen. Ihre Danksagung am Ende verbindet sie so pointiert mit ihrem Thema, dass man das Buch schließlich lächelnd aus der Hand legt. Mit Abbildungen und Screenshots in guter Qualität. Mehr zum Buch: clownsmasken-im-film/

Maximilian Schell

Maximilian Schell (1930-2014) war als Schauspieler und Regis-seur international bekannt. Für seine Darstellung des deutschen Verteidigers Hans Rolfe in JUDGMENT AT NUREMBERG von Stanley Kramer wurde er 1962 mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Sein Dokumentarfilm MAR-LENE (1984) ist eine respekt-volle Würdigung der Schauspie-lerin. 2012 hat er seine Erinne-rungen publiziert: „Ich fliege über dunkle Täler oder Etwas fehlt immer“. Eine Biografie über ihn gab es bisher nicht. Die Journalistin Christine Spauka Conner, über viele Jahre mit Maximilian Schell befreundet, hat jetzt ein Buch über ihn publiziert, das stark von persönlichen Erinnerungen geprägt ist. Sie erzählt Lebensstationen, beschreibt Begegnungen, zitiert viele Zeitzeugen – u.a. Cornelius Schnauber, Salome Jens, John Tillinger, Martin Landau, Sabine Hake, Jeremy Kagan – und schafft so eine erstaunliche Nähe zu ihrem Protagonisten. Es gibt dabei Redundanzen und entbehrliche Details, aber die Komplexität eines charismatischen Künstlers und Lehrers wird spürbar. Eingefügt sind Daten und Fakten zu den wichtigsten Filmen von und mit Maximilian Schell. In ihrem „Epilog“ zitiert die Autorin aus einem Gespräch zwischen Curt Siodmak und Maximilian Schell, das die beiden für das bilinguale Stadtmagazin in L.A. geführt haben: Schell: „Willst Du unsterblich sein, Curt?“. Siodmak: „No, ich will nach Hause gehen.“ Schell: „Ich würde gern sterben und in eine andere Welt gehen.“ (S. 197). Mit einer 16seitigen Bilderstrecke in guter Qualität. Mehr zum Buch: maximilian-schell

Mehrsprachigkeit im Kino

Der Band dokumentiert zwei Veranstaltungen: ausgewählte Referate des 32. Romanisten-Tages im September 2011 an der Humboldt-Universität zu Berlin und Publikumsgespräche einer Filmwoche im Filmhaus Nürn-berg im November 2011. Andreas Blum beschäftigt sich mit dem Sprachwechsel zweier Filme von Radu Mihaileanu. Bei Thomas Johnen geht es um die jiddisch-portugiesische Mehrsprachig-keit des brasilianischen Films O ANO EM QUE MEUS PAIS SAIRAM DE FÉRIAS (2006) von Cao Hamburger. Ateş Gürpinar untersucht die sprachlichen und visuellen Erzählperspektiven in ALMANYA. WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND (2011) von Yasemin şamdereli. Bettina Lindorfer äußert sich zu Mehrsprachigkeit und jugendsprachlichen Registern in LA JOURNÉE DE LA JUPE (2008) von Jean-Paul Lilienfeld, L’ESQUIVE (2004) von Abdellatif Kechiche und ENTRE LES MURES (2008) von Laurent Cantet. Michaela Weiß sieht den Film SOCIA-LISME (2001) von Jean-Luc Godard als multilinguale Kapitalismus-kritik. Jens Ruchatz begreift die Mehrsprachigkeit in CALENDAR (1993) von Atom Egoyan als Medienreflexion. Die drei dokumentierten Publikumsgespräche fanden nach der Vorführung von BIENVENUE CHEZ LES CH’TIS (2008) von Dany Boon, INGLORIOUS BASTARDS (2009) von Quentin Tarantino und DIE TRÄNEN MEINER MUTER (2008) von Alejandro Cardenas Amelio statt. Sie wurden von der Übersetzerin Tanja Frank, dem Produktionsleiter der Berliner Synchron Klaus Bauschulte und dem Regisseur Amelio geführt. Der Band liefert Basisinformationen zu seinem Thema. Mehr zum Buch: 3868217754 oder Gespräche über Filme

Texte von Harun Farocki

In einer Kooperation des Harun Farocki Instituts, des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) und des Verlags der Buchhand-lung Walther König werden seit einem Jahr die Schriften von Harun Farocki (1944-2014) publiziert. Erschienen sind bisher die Bände „Zehn, zwan-zig, dreißig, vierzig. Fragment einer Autobiografie“, herausge-geben von Marius Babias und Antje Ehmann und „Von Godard sprechen“ (mit Kaja Silverman), herausgegeben von Doreen Mende. Jetzt liegt bereits der Band 3 vor: „Meine Nächte mit den Linken. Texte 1964-1975“, heraus-gegeben von Volker Pantenburg. 64 Texte sind hier in chronologischer Reihenfolge dokumentiert, beginnend mit einem „Kapitel zur Wahr-heitsfindung in Sachen Jugendweihe“ („Seid Ihr bereit?“), veröffentlicht im Spandauer Volksblatt am 29. Mai 1964. Die neun Texte für diese Zeitung haben nichts mit dem Thema Film zu tun, Redakteurin war dort Christa Maerker. Es folgen Beiträge für den kürbiskern, Die Zeit, die Filmkritik (über Filmimporte der DDR aus dem Westen, zusammen mit Christian Semler, Dezember 1965), film (ein früher programmatischer Beitrag heißt „Die Agitation verwissenschaftlichen und die Wissen-schaft politisieren“, März 1969), das von mir redaktionell verantwortete dffb-info („Meine Nächte mit den Linken“, Dezember 1970, ein Kurztext auf die Frage „Was tun und was denken die Absolventen?“), und dann dominieren die Texte für die Filmkritik. Manchmal sind es Kurzkritiken (zum Beispiel über SUPERMARKT oder DOROTHEAS RACHE), manchmal mittellange Verrisse (SCHNEEGLÖCKCHEN BLÜHN IM SEPTEMBER, JEDER FÜR SICH UND GOTT GEGEN ALLE). Heraus-ragend: seine Texte über das Fernsehen („Drückebergerei vor der Wirklichkeit“, „Über die Arbeit mit Bildern im Fernsehen“) und seine Rezension des Buches „Kino und Filmindustrie in der BRD“ von Klaus Kreimeier (1973). Der Herausgeber Volker Pantenburg hat exzellent recherchiert und ein sehr informatives 20-Seiten-Nachwort geschrieben („Die Arbeit der Autorschaft“). Mit Abbildungen in akzeptabler Qualität. Mehr zum Buch: farocki3.html

NARZISS UND PSYCHE (1980)

Gábor Bódy (1946-1985) war ein genialer ungarischer Regisseur, der in den Bereichen Film und Videokunst gearbeitet hat, aber schon mit 39 Jahren gestorben ist – ob es ein Suizid war, ist bis heute offen. Zu Beginn der 80er Jahre war er als Dozent an der dffb tätig. NARZISS UND PSY-CHE gilt als sein größtes Werk. Der dreiteilige Film dauert 261 Minuten, wurde vom Kamera-mann István Hildebrand auf-wendig rekonstruiert und ist jetzt, herausgegeben von Claus Löser und Eszter Takács, bei Absolut Medien als DVD erstmals mit deutschen Untertiteln erschie-nen. So unkonventionell wie möglich wird hier die Liebesbeziehung zwischen einer Dichterin (Psyche), einem Dichter und Pfarrerssohn (Narziss) und einem preußischen Adligen (Maximilian Freiherr von Zedlitz) über einen Zeitraum von 150 Jahren erzählt. Während in der literarischen Vorlage „Psyché“ des Schriftstellers Sándor Weöres die Zeit auf das Leben der Hauptfigur 1788-1831 fokussiert ist, erweitert sich diese bei Bódy von 1788 bis 1937 (Hitler am Telefon). Da es sich bei dem Film aber nicht um Realfiktion, sondern um ein experimen-telles Spiel handelt, hat dies keine wirkliche Bedeutung. Neben den Bildern ist vor allem die Besetzung wichtig: Udo Kier spielt Narziss, die spanische Darstellerin Patricia Adriani die Dichterin Psyche und der ungarische Schauspieler György Cserhalmi den Freiherrn von Zedlitz. Man kann bei NARZISS UND PSYCHE durchaus von visionärer Filmkunst sprechen. Mehr zur DVD: Narziss+und+Psyche

Fernsehen und Wohnkultur

Eine Dissertation, die an der Universität Paderborn entstan-den ist. Monique Miggelbrink untersucht darin die „Vermöbe-lung von Fernsehgeräten in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre“. Das Fernsehgerät im analogen Zeitalter war ein Kasten, der im Wohnzimmer platziert wurde und möglichst in die Einrichtung zu integrieren war. Bei manchen Familien wurde er dort verborgen und nur für die Nutzung geöffnet, bei anderen sollte er immer sichtbar sein und gehörte zu den Presti-gestücken im Haushalt. Die voluminöse Publikation (mit Quellenverzeichnis 375 S.) thematisiert Design-Geschichte vor Erfindung des Flachbildschirms. Die Autorin hat dafür umfassend geforscht, sichert sich natürlich auch theoretisch ab und strukturiert ihren Text in drei Kapitel: „Fernsehmöbel zwischen den Orten“ (Teil I), „Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk“ (Teil II), „Analyse der geschlechts- und schichtspezifischen Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken“ (Teil III). Den dritten Teil finde ich besonders spannend, weil er technische, soziale und stilistische Basiskenntnisse zu den 50er und 60er Jahren in der Bundesrepublik vermittelt. Archivmaterial für die Autorin waren vor allem Einrichtungs-Zeitschriften, Werbung und sogenannte „Fernseh-fibeln“, also Ratgeber zum Medium Fernsehen. Im Endeffekt ging es bei Fernsehmöbeln damals um offenes Wohnen und fließende Grundrisse, aber auch um „gemütliches“ Wohnen, um Möbelanordnungen und Machtverhältnisse, um den Wohnzimmertisch, die Inselbildung und die Rollenzuweisung der Akteure. Interessante Lektüre mit zahlreichen Abbildungen (Fotos und Skizzen) in guter Qualität. Mehr zum Buch: fernsehen-und-wohnkultur/

Tier und Film

Eine Dissertation, die an der Philipps-Universität Marburg entstanden ist. Carlo Thiele-mann unternimmt darin eine „Modellierung anthropolo-gischer Differenz“. In vier Kapiteln geht es auf hohem theoretischen Niveau 1. um „Struktur und Wirkungsweise hominisierender Mediendispo-sitive“. Zentrales Filmbeispiel ist DIE HÖHLE DER VER-GESSENEN TRÄUME (2010) von Werner Herzog. 2. um „Körper, Leben und Soma – Leibphänomenologische Konstituenten einer medialen Anthropologie“. Filmbeispiel: GORILLAS IM NEBEL (1988) von Michael Apted. 3. um „’Blutmythologie’, ‚Volkskörper’, Labor und Schlachtung – Fallstudien zur Politik filmischer Mensch-Tier-Beziehungen“. Filmbeispiele: NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau, DER EWIGE JUDE (1940) von Fritz Hippler und DAS BLUT DER TIERE (1949) von Georges Franju. 4. um „den Film und das Offene – Facetten einer Philosophie medialer Anthropologie“. Filmbeispiel: GRIZZLY MAN (2005) von Werner Herzog. Die vielen Abstraktionen machen die Lektüre kompliziert. Der Schlusssatz hat eine klare Logik: „Das Denken über Tiere und das Denken über Filme hat eine Gemeinsamkeit: Es schärft den Blick für die Realität“ (S. 223). Mit Abbildungen in guter Qualität. Band 20 der Schriftenreihe „Aufblende“, die von Heinz-B. Heller und Knut Hickethier im Schüren Verlag herausgegeben wird. Mehr zum Buch: tier-und-film.html