Konrad Wolf

Vor vier Jahren haben Antje Vollmer und Hans-Eckhardt Wenzel ein Buch über die Filme von Rainer Werner Fassbinder publiziert, dessen Basis ein Briefwechsel zwischen ihnen war. Jetzt ist in der „Anderen Bibliothek“ ein gemeinsamer Band über Konrad Wolf er-schienen, der von ihnen als „Chronist im Jahrhundert der Extreme“ bezeichnet wird. Leben, kulturpolitisches Wirken und filmisches Werk werden nicht chronologisch beschrie-ben, sondern in thematischen Zusammenhängen. Etwas zu ausufernd wird aus meiner Sicht die Biografie von Konrads Vater Friedrich Wolf ausgebreitet. Hervorragend finde ich die Kapitel „Der Krieg – Ich war Neunzehn“, „Die Zukunft ist weiblich – Frauen in Wolfs Filmen und im Leben“, „Sterne und Prinzen auf dem Weg der Erkenntnis – Der Freund Angel Wagenstein“, „Die Troika“, „Konrad Wolf und seine Lieder“ und „Der Künstler als nackter Mann“. Sehr informativ: die zwei Kapitel über Konrad Wolf als Präsidenten der Akademie der Künste der DDR. Es wurden für das Buch viele Quellen erschlossen und Gespräche geführt, u.a. mit Wolfgang Kohlhaase, Angel Wagenstein, Andrea Wolf (Witwe von Markus Wolf), Gerhard Wolf (Witwer von Christa Wolf, mit Konrad nicht verwandt). Die Filmbeschreibungen sind sehr konkret und reflektiert. Zahlreiche Abbildungen in sehr guter Qualität. Die Filme von Konrad Wolf haben für mich eine große Bedeutung. Sie sind alle auf DVD verfügbar (14-filme-von-konrad-wolf/). Es ist ein Gewinn, sie im Zusammenhang mit diesem Buch wiederzusehen. Mehr zum Buch: Konrad-Wolf::763.html

DER SCHARFSCHÜTZE (1950)

THE GUNFIGHTER erzählt die Geschichte von Jimmy Ringo, einem alt gewordenen Outlaw, der zu Beginn einen jungen Mann in Notwehr erschießt und von dessen Brüdern verfolgt wird. Schauplatz ist dann die Stadt Cayenne. Dort wohnt Ringos Frau, die ihn verlassen hat. Dort amtiert sein alter Freund Mark als Sheriff. Dort gibt es verschiedene Männer, die ihm nach dem Leben trachten. Und natürlich findet am Ende ein Showdown statt. Der Western von Henry King mit Gregory Peck in der Titelrolle hat außerordentliche Qualitäten. Es gibt einen schönen, sehr reflektierten Text von Norbert Grob im Western-Buch von Reclam (2003). Er nennt den Film einen essayistischen Western, „ der gleichzeitig zeigt und überdenkt, der darstellt und erklärt: mit einem Protagonisten, der handelt, wie er zu handeln hat – gleichzeitig aber deutlich macht, wieder und wieder, wie verhasst ihm dies ist. (…) Die Kamera meidet das Schweifen in die Weite. Sie deutet nur an, welcher Raum den Helden umgibt (als Raum des Möglichen), um sich dann zu konzentrieren auf die Enge des Dramas im Zentrum (als Raum des Notwendigen). So thematisiert sie zugleich die Spannung zwischen Aufbruch und Skepsis, zwischen Neubeginn und Resignation.“ (S. 139). Bei Koch Media sind jetzt DVD und Blu-ray des Films erschienen, den wiederzusehen ein großer Gewinn ist. Mehr zur DVD: der_scharfschuetze_dvd/

ASTRID (2018)

Der Film über die Lehrjahre der Schriftstellerin Astrid Lindgren wurde 2018 bei der Berlinale uraufgeführt. Die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen hat das Biopic beeindruckend inszeniert. Wir blicken zurück in die 1920er Jahre. Astrid, streng religiös erzogen, macht ein Volontariat bei der Zeitung in Vimmerby, beginnt ein Verhältnis mit dem Verleger und wird von ihm schwanger. Zur Geburt fährt sie in das liberalere Dänemark und bringt dort ihren Sohn Lasse zur Welt, den sie einer Pflegemutter überlässt. Sie übersteht erfolgreich juristische Auseinandersetzungen, findet eine Anstellung bei der Buchhandelszentrale, will ihren Sohn zu sich nehmen, der jedoch lieber bei seiner Pflegemutter bleibt. Erst als diese erkrankt, wechselt Lasse zu seiner Mutter. Astrid ist inzwischen Sekretärin im Königlichen Automobil-Club, das Leben als alleinerziehende Mutter wird schwierig, aber sie findet immer wieder Verbündete. Am Ende gibt es sogar eine Versöhnung mit ihren konservativen Eltern. Erzählt wird die Lebensphase aus der Sicht der gealterten, erfolgreichen Schriftstellerin. Das funktioniert vor allem in der zweiten Hälfte des Films hervorragend. Alba August in der Titelrolle hat eine starke Ausstrahlung. Bei Universum ist jetzt die DVD des Films erschienen, der nicht nur für Lindgren-Fans sehenswert ist. Mehr zur DVD: portfolio/astrid/

Blattkritik

Eine Masterarbeit, die an der Fachhochschule Kiel entstanden ist. Kira Oster untersucht darin die Formen der Blattkritik in den Printmedien „von der lästigen Pflichtaufgabe zur täglichen Qualitätskontrolle“. Sie hat rund 300 Redakteure und Redakteurinnen regionaler Tageszeitungen befragt und dies in Relation zu Auskünften aus überregionalen Medienunter-nehmen gesetzt. Fünf Interviews mit Experten sind im Anhang abgedruckt. Man erfährt aus dem Buch viel Konkretes über den Alltag in der bundesdeutschen Presse. Für einen zeitungssüchtigen Menschen wie mich eine hochinteressante Lektüre. Mehr zum Buch: blattkritik.html

DER DRITTE MANN

Bert Rebhandl begibt sich mit diesem Buch auf eine Spuren-suche, und es gelingt ihm die Neuentdeckung eines Film-klassikers. Ich zitiere Auszüge der 13 Kapitelbeschreibungen der Inhaltsangabe: „0. Vor-spann. Ein Spaziergang durch Wien, vom Westbahnhof zum Riesenrad. Die Stiftungsgasse 15, Harry Limes Wohnadresse, findet sich im siebten und im ersten Bezirk. 1. Der unsicht-bare Dritte. Im Labyrinth der Anfänge: The Third Man entstand aus vielen ersten Sätzen. 2. Eine andere Welt. Der Produzent Alexander Korda ging von Österreich-Ungarn nach Hollywood und kehrte schließlich nach Europa zurück. In London hatte er die Idee für einen Film in Wien mit dem Thema „Unsichtbare Grenzen“. 3. Dadadada dada. Anton Karas’ Zitherklänge verfolgen The Third Man bis in die Unterwelt. 4. Rote Linie. Während Österreich schon auf einen Staatsvertrag drängte, putschten in der Tschechoslowakei die Kommunisten: Die politische Situation im Jahr 1948. 5. Versteckte Botschaft. Der Schriftsteller Graham Greene und der Regisseur Carol Reed waren die Schöpfer von The Third Man. 6. Schlechte Staatsbürger. Österreicher sind in The Third Man nur Randfiguren. Die heimischen Stars müssen Hausmeister spielen. 7. Ein literarisches Striptease. Der Westernschreiber Holly Martins soll etwas über James Joyce sagen. 8. Die Erfindung der Kuckucksuhr. Orson Welles wurde mit seiner Rolle als Harry Limes unsterblich. 9. Falsche Papiere. In der Zeit, in der The Third Man spielt, herrscht in Wien eine Flüchtlingskrise. 10. Der vierte Mann. Ab wie vielen Mitgliedern wird aus einer Bande eine kriminelle Organisation? 11. Verbotene Jagd. Der Westernschreiber Holly Martins bekommt eine Pistole in die Hand und spielt höhere Gerechtigkeit. 12. Nicht versöhnt. Liebe ist ein Gefühl, das gegen die Weltgeschichte keine Chance hat.“ (S. 5-7). Ein beeindruckendes Buch. Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: der-dritte-mann-2

Werner Dütsch

Das Harun-Farocki-Institut ist in Berlin mit Veranstaltungen präsent und beteiligt sich an unterschiedlichen Publikatio-nen. Jüngst erschien ein Heft, das dem im Dezember 2018 verstorbenen Werner Dütsch gewidmet ist. Es hätte eigentlich zu seinem 80. Geburtstag erscheinen sollen. „Aus dem Geburtstagsgruß ist ein Heft zum Andenken an Werner Dütsch geworden.“ (Nachwort). Zu lesen sind drei Texte: eine sehr persönliche Reminiszenz von Werner Dütsch an die WDR-Filmredaktion, geschrieben 2017 für die britische Zeitschrift Critical Studies in Television, ein bisher unveröffentlichter Essay von Dütsch über Harun Farockis Film WIE MAN SIEHT, der 1986 für die Pressematerialien des Films gedacht war, aber nicht verwendet wurde, und Harun Farockis Würdigung des Buches „Lola Montez. Eine Filmgeschichte“ von Martina Müller und Werner Dütsch, die im Januar 2003 auf der Website newfilmkritik publiziert wurde. Eingeheftet ist eine sechsseitige Auswahl-Filmografie und -Bibliografie. Texte auch in englischer Sprache. Mehr zum Heft: lola-montez/

Denn die Geschichten der Opfer sind das Wichtigste

Eine Dissertation, die an der Universität Lüneburg entstan-den ist. Julia Stegmann unter-nimmt darin Rassismus-kriti-sche Analysen zu rechter Gewalt im deutschen Spiel- und Dokumentarfilm 1992-2012. Es sind 13 Filme, die von der Auto-rin für ihre sehr detaillierten und sachkundigen Analysen ausgewählt wurden: DAS LEBEN DES CARLOS FERNANDO (2001) von Samuel Schirmbeck, DAS LEBEN DES KLAUS-PETER BEER (2001) von Gabriele Jenk, DAS LEBEN DES NORBERT PLATH (2001) von Sabine und Eckhard Mieder, KICK. EIN LEHRSTÜCK ÜBER GEWALT (2005/06) von Andres Veiel, GLAUBE, LIEBE HOFFNUNG (1994) von Andreas Voigt, HERZSPRUNG (1992) von Helke Misselwitz, KRIEGERIN (2011) von David Wnendt, STAU – JETZT GEHT’S LOS (1992) und NEUSTADT (STAU – DER STAND DINGE, 1999) von Thomas Heise, REVISION (2012) von Philip Scheffner, SCHWARZ AUF WEISS. EINE REISE DURCH DEUTSCHLAND (2009) von Pagonis Pagonakis und Susanne Jäger, THE TRUTH LIES IN ROSTOCK (1993) von Siobhan Clery und Mark Saunders, ZUR FALSCHEN ZEIT AM FALSCHEN ORT (2005) von Tamara Milosevic. Die Auswahl ist gut begründet, die Analysen sind lesenswert. 1.494 Quellenverweise sorgen für die wissenschaftliche Absicherung. Mit Abbildungen in guter Qualität. Erschienen bei V & R Unipress in Göttingen. Mehr zum Buch: number=UNI0012124

ICH BEI TAG UND DU BEI NACHT (1932)

Hans ist Kellner und arbeitet nachts, Grete ist Maniküre und arbeitet am Tag. In Notzeiten muss man sich ein möbliertes Zimmer teilen. Für die perfekte Organisation sorgt die Zimmer-wirtin Seidelbast. Die Drama-turgie spielt damit, dass die beiden sich als Mieter nicht persönlich kennen, aber an neutralem Ort einander ver-lieben. Das Happyend findet in einem Kino statt, das sich unterhalb des möblierten Zimmers befindet. Dort ist Helmut, der Freund von Hans, Vorführer und kommentiert spöttisch die verlogenen Filme der Zeit. Ludwig Berger ironisiert so den Alltag. Eine musikalische Komödie mit Käthe von Nagy (Grete), Willy Fritsch (Hans), Friedrich Gnass (Helmut) und Amanda Lindner (Witwe Seidelbast). Musikalisch sind die Comedian Harmonists dabei, u.a. mit dem Lied „Wenn ich sonntags in mein Kino geh…“. Bei Concorde Video sind gerade DVD und Blu-ray des sehenswerten, digital restaurierten Films erschienen. Das Booklet enthält einen sehr schönen Text von Dominik Graf über den Film und eine kurze Ludwig-Berger-Biografie von Anne Siegmayer. Mehr zur DVD: B07TNVXHDN

BOHEMIAN RHAPSODY (2018)

Ein Biopic über den Sänger Freddie Mercury, beginnend 1970 mit seinem Einstieg bei der Band Smile, die sich kurz danach Queen nennt und durch Auftritte bei der BBC und Gastspiele in Japan und den USA schnell populär wird. Der Protagonist, brillant gespielt von Rami Malik, der dafür einen Oscar als bester Hauptdarsteller bekam, lässt uns sein unkonventionelles Leben hautnah miterleben, es gibt viele emotionale Momente bei Auftritten, beim Streit mit Managern und Gruppenmitgliedern, im Zusammenleben zuerst mit seiner Verlobten Mary Austin, dann mit verschiedenen schwulen Partnern. Die zeitweilige Trennung von der Band führt zu Soloauftritten in Mercurys Münchner Phase, dann kehrt er zu Queen zurück und erlebt mit dem Auftritt bei Live Aid einen Lebenshöhepunkt. Der Film, inszeniert von Bryan Singer, ist sehr sehenswert. Bei 20th-Century Fox sind jetzt DVD und Blu-ray des Films erschienen. Zu den Extras gehört die komplette LIVE AID Movie-Performance. Mehr zur DVD: hnum/8927937

Burghart Klaußner

Heute feiert der Schauspieler Burghart Klaußner seinen 70. Geburtstag. Er ist seit langer Zeit auf der Bühne, im Film und im Fernsehen präsent, und ich schätze ihn außerordentlich. Im Verlag Theater der Zeit ist jetzt ein Buch über ihn erschienen. Im Zentrum steht ein Gespräch, das Thomas Irmer mit ihm geführt hat. Auf 130 Seiten lesen wir viel Interessantes über sein Leben und seine künstlerische Arbeit. Das Spiel auf der Bühne steht zwar im Vordergrund des Gesprächs, aber Klaußner erzählt im Mittelteil sehr reflektiert von der Zusammenarbeit mit den Regisseuren Heinrich Breloer (beginnend mit DAS BEIL VON WANDSBECK, zuletzt beim zweiteiligen BRECHT), Wolfgang Becker (KINDERSPIELE, GOOD BYE, LENIN!), Hans-Christian Schmid (drei Filme), Michael Haneke (DAS WEISSE BAND), Volker Schlöndorff (DIPLOMATIE) und Lars Kraume (DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER, DAS SCHWEIGENDE KLASSENZIMMER). Klaußners Spiel ist prägend für diese Filme. In einem „Essay“ erzählt er von seiner bisher letzten Reise nach Amerika mit der Queen Mary 2 zunächst nach New York und dann nach Los Angeles, wo er für kurze Zeit Fellow im Thomas-Mann-Haus war. Mit vielen Abbildungen in guter Qualität und einem Rollenverzeichnis im Anhang. Mehr zum Buch: buch/klaussner/