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02. August 2019

Das Kino am Jungfernstieg

Die Autorin Micaela Jary ist die Tochter des Filmkomponisten Michael Jary und hat eine große Affinität zum Kino. Der erste Teil ihres neuen Romans (der zweite Teil erscheint 2020) spielt im kalten Winter 1946/47 in Hamburg und erzählt die konfliktreiche Geschichte einer Familie, der ein Kino am Jungfernstieg gehört. Hauptfigur ist die Schnittmeisterin Lili Paal, Tochter von Robert und Sophie Wartenberg, die kurz vor Kriegsende geheiratet hat und nach Berlin gezogen ist. Jetzt arbeitet sie bei der DEFA. Ihr Vater ist im Krieg gestorben, ihre Mutter lebt bei der Familie ihrer Stiefschwester Hilde, die sich wenig um sie kümmert. So beschließt sie, nach Hamburg zu fahren, wo sie seit drei Jahren nicht mehr war. Mit Hilfe des englischen Filmoffiziers John Fontaine kann sie Berlin verlassen und findet in Hamburg desaströse Verhältnisse vor. Das alte Kino ist in keiner guten Verfassung, Hilde und ihr Mann Peter wollen die technische Einrichtung verkaufen und einen Tanzsaal einrichten, der Vorführer Hans leistet Widerstand. Die kranke Sophie weiß von den Konflikten nichts und gibt nur noch schwache Lebenszeichen von sich. Aktiv greift Resa, die Tochter von Hilde und Peter, ins Geschehen ein. Sie will Schauspielerin werden. Lili und der jetzt in Hamburg tätige John Fontaine suchen nach verstecktem Material des letzten Ufa-Films, das sie auf einem kleinen Boot in Lübeck finden. Und eine Schlüsselrolle spielt der Regisseur Leon Caspari, der viele Ähnlichkeiten mit Helmut Käutner hat. – Natürlich kann man einen Roman durch Zuspitzungen spannend machen. Aber die Autorin übertreibt den Aktionismus der beteiligten Personen, Gut und Böse werden ohne Zwischentöne charakterisiert und konfrontiert, die emotionalen Wellen schlagen hoch. Nach 360 Seiten ist man doch etwas erschöpft und freut sich auf ein Jahr Pause bis zur Fortsetzung. Mehr zum Buch: TB/e539482.rhd