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20. April 2018

„Die Erdorgel“

Siegfried Kühn (*1935) hat für die DEFA einige Filme realisiert, die ich sehr schätze, zum Beispiel ZEIT DER STÖRCHE (1971) mit Winfried Glatzeder, DAS ZWEITE LEBEN DES FRIEDRICH WILHELM GEORG PLATOW(1973) mit Fritz Marquardt, DON JUAN, KARL-LIEBKNECHT-STRASSE 78 (1980) mit Hilmar Thate, DIE SCHAUSPIELERIN (1988) mit Corinna Harfouch. Er war ein sehr eigenwilliger Regisseur, der seine Drehbücher in der Regel selbst verfasste und sich politisch nicht vereinnahmen ließ. Mit dem Buch „Die Erdorgel oder Wunderbare abgründige Welt“ hat er jetzt so etwas wie eine Autobiografie veröffentlicht, eine Montage aus Fiktion und Wirklichkeit. Die Hauptfigur – Friedrich – wächst in Schlesien auf, macht in der DDR das Abitur, arbeitet unter Tage im Bergbau, beginnt ein Filmstudium in Babelsberg, das er an der WGIK in Moskau abschließt, dreht seinen ersten DEFA-Film IM SPANNUNGSFELD mit Ekkehard Schall, verfilmt „Die Wahlverwandt-schaften“ von Goethe, macht seine Privatadresse Karl-Liebknecht-Straße 78 zum Teil eines Filmtitels, erlebt eine Überschwemmung in Bautzen, fährt zur Aufführung eines seiner Filme zu einem Festival nach Usbekistan und wird im „Epilog“ Augenzeuge, wie man im Filmpark Babelsberg den Touristen zeigt, was bei einer Kamerafahrt passiert, auch wenn sich in der Kamera kein Filmmaterial befindet. Das ist auf 200 Seiten sehr authentisch und anschaulich, aber auch ironisch erzählt, es gibt mehrere Beziehungsgeschichten, und die Lektüre bereitet besonderes Vergnügen, wenn man die Filme von Siegfried Kühn kennt oder sie sich parallel auf DVD anschaut. Mit Illustrationen von Ida Michel und Abbildungen aus Filmen. Mehr zum Buch: wunderbare-abgruendige-welt.html