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15. September 2017

Spiegelungen

„Spiegel in Filmeinstellun-gen bringen eine veränderte Perspektivität in das Bild. Oft reflektieren sie den Selbst-bezug von Personen der Handlung, in denen angesichts ihres Spiegel-bildes innere Vorgänge stattfinden, die stark betont werden.“ (S. 201). Jörg Becker beschreibt in seiner Passage durch die interna-tionale Filmgeschichte in 33 kleinen Kapiteln Momente, in denen Spiegel im Bild eine Bedeutung haben, beginnend mit SEVEN YEARS BAD LUCK (1916) von Max Linder, endend mit THE PROGRAM (2015) von Stephen Frears. Die Reihenfolge ist weitgehend chronologisch, meist ist es ein Film, auf den sich der Text konzentriert. Zwölf Kapitel haben mir besonders gut gefallen: sie beschäftigen sich mit Murnaus DER LETZTE MANN („Spiegelorte der Identifizierung und Beschämung“), E. A. Duponts VARIETÉ („Triebbilder“), drei Filmen mit Peter Lorre (THE FACE BEHIND THE MASK, DER VERLORENE, M – „Ein Gesicht im Spiegel“), Fritz Langs THE WOMAN IN THE WINDOW („Erwachen als Rettung“), Robert Siodmaks THE DARK MIRROR („Zwillings-Spiegelungen“), Ingmar Bergmans SOMMARLEK („Kunst versus irdisches Glück“), Max Ophüls’ MADAME DE… („Eine Liebesgeschichte als Tanz im Universum der Spiegel“), zwei Filmen von Douglas Sirk (ALL THAT HEAVEN ALLOWS, WRITTEN IN THE WIND – „Aufnahmefiguren mit Spiegeln“), noch einem Film von Douglas Sirk (WRITTEN IN THE WIND – „Spiegel des Schauspiels zwischen Lüge und Wahrheit“), Gerhard Kleins BERLIN UM DIE ECKE („Eine Frage des Charakters“), Jean-Pierre Melvilles LE SAMURAI („Ritual einer Prüfung“), Alexander Kluges DIE PATRIOTIN („Projektion der Einbildungskraft und Einssein im Nebeneinander“) und Christian Petzolds PHÖNIX („Erschrecken beim eigenen Anblick“). Beckers Texte sind exzellent in der Bildbeschreibung. Natürlich ist seine Filmauswahl subjektiv. Mir fehlen zum Beispiel SOLO SUNNY von Konrad Wolf und LOLA von Rainer Werner Fassbinder. Aber jeder hat seine eigenen Erinnerungen, und genau die werden durch so ein Buch aktiviert. Mit (leider nur) sechs Abbildungen. Coverfoto: POLIZEIBERICHT ÜBERFALL (1928). Band 16 der interessanten Buchreihe „Filit“, herausgegeben von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen. Mehr zum Buch: book/detail/915