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29. August 2017

Jonas Mekas: Tagebücher 1944-1955

Er ist inzwischen 94 Jahre alt, gilt als Schlüsselfigur des New American Cinema, Filme von ihm sind derzeit auf der „docu-menta 14“ in Kassel zu sehen, und wer etwas mehr über ihn erfahren will, muss unbedingt seine jetzt auch auf Deutsch erschienenen Tagebücher aus den Jahren 1944 bis 1955 lesen: „Ich hatte keinen Ort“, publiziert von Spector Books. Sie beginnen mit der Flucht aus seinem Geburtsland Litauen, dem Aufenthalt in einem Zwangs-arbeitslager der Nazis und dem Wechsel in ein Lager für „displaced persons“, sie handeln von Einsamkeit und Verzweiflung, von Arbeit und Lesen, sie erzählen von seinem Bruder Adolfas und von vielen Personen, denen er in Deutschland und später in New York begegnet ist. Die Auswanderung Ende 1949 nach Amerika machte sein Leben nicht einfacher, denn die damalige Arbeitslosigkeit zwang ihn zu vielen unwürdigen Tätigkeiten, aber er hat seinen eigenen Weg gesucht, konnte sich eine Bolex-Kamera kaufen und begann auf seine Weise zu filmen, dokumentarisch, avantgardistisch. Aber Mekas ist nicht nur ein außergewöhnlicher Filmemacher, sondern auch ein herausragender Schriftsteller, der seine Erfahrungen und Erlebnisse, sein Denken und Fühlen so konkret zu Papier bringen konnte, dass man die 480 Seiten – von Heike Geißler bestens übersetzt – hintereinander liest. Der Text übt einen Sog aus. In Amerika ist das Buch bereits 1991 erschienen. Wunderbar, dass es nun auch eine deutsche Ausgabe gibt. Mehr zum Buch: ich-hatte-keinen-ort