Aktuelles
20. Mai 2015

1965. Der kurze Sommer der DDR

Decker_24735_MR.inddEs war das berühmte, folgenreiche 11. Plenum des Zentralkomitees der SED, das im Dezember 1965 die Aufbruchs-stimmung bei vielen Künstlern der DDR zum Erliegen brachte, das zu einem Dutzend Verboten neuer DEFA-Filme führte und für die Literatur, das Theater, das Kino, die Musik und die Bildende Kunst in der DDR fatale Konsequenzen hatte. Zentrale Themen des 11. Plenums waren die Wirtschaft und die Kultur. Zur Schlüsselfigur wurde Erich Honecker, der sich mit Walter Ulbricht einen internen Machtkampf lieferte und, unterstützt von seiner Frau Margot, die von Ulbricht zunächst akzeptierten Reformen in den Bereichen Jugend und Kultur rigoros stoppte. Das Buch von Gunnar Decker erzählt die Geschichte des Jahres 1965 in vielen Facetten, aus unterschiedlichen Perspektiven, nimmt natürlich Partei für die kreativen Künstler und ist eine höchst spannende Lektüre. Drei große Kapitel teilen den Text: „Der Aufstieg“, „Der Absturz“, „Die Trümmer“. Strukturiert wird er durch zahlreiche Unterkapitel, in denen oft eine Person im Zentrum steht. Das sind für den Bereich Literatur u.a. Erwin Strittmatter, Stephan Hermlin, Brigitte Reimann, Christa Wolf, Franz Fühmann, Maxie Wander, Hermann Kant, Werner Bräuning, Fritz Rudolf Fries, Erik Neutsch, Johannes Bobrowski, Benno Pludra, Stefan Heym, Helga M. Novak, Volker Braun und am Rande auch Anna Seghers, fürs Theater Wolfgang Langhoff, Adolf Dresen, Heiner Müller, Benno Besson, Peter Hacks, für den Film Heiner Carow (mit dem Verbotsfilm DER VERLORENE ENGEL und dem langwierigen Projekt „Simplicius Simplizissimus“), Egon Günther (mit WENN DU GROSS BIST, LIEBER ADAM und ABSCHIED), Kurt Maetzig (mit der Auseinandersetzung um DAS KANINCHEN BIN ICH), Frank Beyer (mit dem späten Verbot von SPUR DER STEINE), Konrad Wolf, der sich relativ spät zu Wort gemeldet hat, für die Bildende Kunst Fritz Cremer, Willi Sitte, für die Musik Wolf Biermann (auch weit über die Musik hinaus), Klaus Renft, für die Philosophie Wolfgang Heise (der Vater von Thomas Heise), für die Naturwissenschaft Robert Havemann, für die Politik – neben Honecker und Ulbricht – vor allem Alexander Abusch, Hans Bentzien, Klaus Gysi, Kurt Hager, Alfred Kurella, Hans Rodenberg, Paul Verner und Siegfried Wagner. Ich habe in den 1960er Jahren viel über die DEFA und die DDR-Kultur publiziert, deshalb sind mir die genannten Personen relativ vertraut. Und insofern war für mich die Lektüre des Buches auch ein Stück Erinnerungsarbeit. Meine einzige Kritik an Deckers Text: die Literatur wird gegenüber dem Film überproportional gewürdigt. Coverfoto: SPUR DER STEINE. Mehr zum Buch: 1965/978-3-446-24735-2/