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12. Januar 2015

Eine Nacht im Tarantella

2014.TarantellaEr ist als Gründer des Hamburger Abaton-Kinos bekannt geworden, hat an die fünfzig Filme produziert, darunter den unvergesslichen FUSSBALL WIE NOCH NIE von Hellmuth Costard, und viele selbst inszeniert, hat Filmpolitik gemacht und das alles in seiner Autobiografie erzählt: „Hinter der Leinwand“. Sie war im April 2010 mein „Filmbuch des Monats“ (film-und-kinogeschichten ). Und weil Werner Grassmann (*1926) ein guter Geschichtenerzähler ist, hat er jetzt seine Erlebnisse im Hamburg der Nachkriegszeit publiziert: „Eine Nacht im Tarantella“. 1946 konnte er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Hamburg fliehen. Er wurde Dolmetscher beim englischen Bau-Bataillon. 28 teils schöne, teils auch schreckliche und absurde Geschichten über Arbeitssuche, Begegnungen mit attraktiven Frauen (Anneliese, Conny, Erika), über Besuche in Kinos, Kneipen und Bars, über Freunde und Familie fügen sich zu einem sehr realen Panorama der Zeit bis zur Währungsreform. Es geht um Kleidung, Geld, Ernährung, Wohnen, Arbeiten und auch ein bisschen um Kultur. Oft enden die Geschichte mit einer Pointe, manchmal aber auch im Nirgendwo. Die titelgebende „Nacht im Tarantella!“ handelt von einer Investition ohne Zukunft. Der junge Werner schenkt seiner Schulfreundin Inge einen Gutschein zum Besuch der berühmten Tarantella-Bar. Sie will das Geschenk zunächst nicht annehmen, weil sie nicht weiß, was sie anziehen soll. Dann wird das Cocktailkleid der Mutter für sie umgearbeitet. Sie fahren schließlich an einem Abend zum Dammtorbahnhof, Werner glaubt, finanziell vorgesorgt zu haben, aber die Weinpreise erweisen sich als zu hoch. 650 Mark für zwei Flaschen Rotwein überfordern ihn, als es an die Zahlung der Zeche geht. Er hat nur noch 340 in der Tasche. Ein Klavierspieler hilft im Konflikt mit dem Oberkellner, Werner und Inge dürfen noch bleiben und tanzen, bis der Frühzug nach Reinbek fährt, und haben am Ende „den schönsten Abend der Reichsmarkzeit erlebt.“ Leider wird die Schulfreundin Inge wenig später zu ihren Großeltern nach Göttingen geschickt. Der Großvater war dort Prokurist in einer Wurstfabrik. – Die erzählten Geschichten werden von vielen Fotos der Zeit begleitet. Ein schönes Buch aus dem Verlag Ellert & Richter. Mehr zum Buch: ISBN=978-3-8319-0584-3