Texte & Reden
14. April 2010

Fotografieren am Filmset

Essay im Katalog

Ein Traum ging in den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhun-derts in Erfüllung, als die Bilder lernten, sich zu bewegen. Fast zeit-gleich gelang es den Erfindern Thomas Edison, Max Skladanowsky, August und Louis Lumière in New York, Berlin und Paris, Filmstreifen so durch einen Projektor zu befördern, dass die Zuschauer auf einer Leinwand tanzende Menschen, fahrende Eisenbahnen und boxende Kängurus sehen konnten. Der Jahrmarkt und das Varieté hatten eine neue Attraktion. Die Kinematographie wurde in kurzer Zeit technisch perfekter und beanspruchte eine Eigenständigkeit, sie emanzipierte sich vom trivialen Volksvergnügen zur „siebten Kunst“. Kulturkritiker pro-phezeiten ängstlich das Ende der Nachbarkünste, der Fotografie und des Theaters. Die Prognosen waren falsch. Das Theater wirkt heute noch immer sehr lebendig, die Fotografie ist attraktiver denn je, obwohl die bewegten Bilder eine immer größere Faszination ausüben: im Kino, im Fernsehen, inzwischen auch im Netz und auf dem Handy.

Sie brauchen heute keinen Filmprojektor mehr, sie kommen über Kabel, Satellit und von der Festplatte, sie sind im digitalen Zeitalter allgegen-wärtig. Jetzt machen sich die Kulturkritiker schon Sorgen um die Zukunft des Kinos. Muss es dreidimensional werden, um zu überleben? Braucht man noch Schauspieler für das Erzählen, oder übernimmt die Animation, früher „Zeichentrick“ genannt, die Herrschaft? Wird über die Zukunft weiterhin in Hollywood entschieden oder schon in China? Manchmal hilft bei existentiellen Fragen der Blick zurück in die Geschichte, in unserem Fall: in die Fotografie- und Filmgeschichte.

Seit mehr als hundert Jahren gibt es eine intensive Beziehung zwischen dem Kino und der Fotografie. Der Film braucht das Foto für seine Selbstdarstellung in der realen Welt. All seine Schönheit und Imagina-tion, seine Kunst und Popularität sind nicht denkbar ohne reproduzierte Bilder in Zeitungen und Zeitschriften, in Magazinen und Büchern, in Schaukästen und an Kinofassaden. Er braucht das Szenenfoto und die Starpostkarte, das Plakat und die visuelle Selbstreferenz. Seine Existenz vermittelt sich nicht allein im Kino, sie ist angewiesen auf eine Außen-wirkung, die vor allem von Fotos initiiert wird.

Seit Jahrzehnten wird die Filmproduktion begleitet von Standfoto-grafen. Sie haben die Aufgabe, die Höhepunkte der erzählten Ge-schichten und vor allem die Protagonisten abzubilden. Bei ihnen kommt das bewegte Bild zum Stillstand. Im Studio und auf dem Set ist neben dem Kameramann, der die Szene filmt, immer der Fotograf präsent, der Momentaufnahmen macht. In der Regel engagiert ihn die Produktionsfirma, in Amerika ist er meist Angestellter des Studios.

In der Frühzeit erledigten noch die Kameramänner oder die Regie-assistenten diese Aufgabe. Damals musste man dafür die unhandlichen Plattenkameras aufstellen. Fotografiert wurde, wenn die gefilmte Szene im Kasten war. Die Darsteller brachten sich noch einmal für die so genannten Production stills in Position: es ging um das Material für Pressearbeit und Werbung. Seit den zwanziger Jahren sind dafür spezielle Standfotografen zuständig. Sie müssen ein Feeling haben, welche Szenen eines Films sich mit den ausdrucksvollen Gesichtern der Schauspieler und dem Dekor am besten vermarkten lassen. Sie kennen nur das Drehbuch, nicht den fertigen Film. Ihr Blick ist nicht immer identisch mit der Perspektive des Kameramannes. Es kommt vor allem darauf an, die Stars verlockend aussehen zu lassen, denn die Fotos sollen potentielle Zuschauer neugierig machen.

Als besonders wirkungsvoll gelten Nah- und Großaufnahmen, Küsse, Blicke, Showdowns, emotionale Höhepunkte, ungewöhnliche Frisuren, dekorative Kostüme, elegante Hüte. Für die unterschiedlichen Genres – Melodram, Western, Komödie, Thriller – gibt es spezielle Erfahrungs-werte in der Lichtsetzung, Kontrastierung und Positionierung. Die Dominanz Amerikas im Kino der Welt hatte natürlich auch Auswirkun-gen auf die Professionalisierung der produktionsbegleitenden Foto-grafie. In der Zeit des klassischen Hollywood, also bis in die fünfziger Jahre, waren rund 300 Still photographers in den Studios beschäftigt. Sie haben mit ihren Mitteln die Filme in Bilder übersetzt und damit den Ruhm der Stars vergrößert.

Lilian Gish und Mary Pickford, Douglas Fairbanks und Rudolph Valen-tino wurden im Kino geliebt und zuhause auf Fotos bewundert. Die Postkarten klemmte man zum Beispiel in die Spiegelrahmen, damit sie immer präsent waren. Man schickte sie an seine Lieblingsstars mit der Bitte um Autogramme, die Fotos wurden gesammelt, und es gab Tauschbörsen. Vor allem das weibliche Kinopublikum – und das war eigentlich immer in der Überzahl – liebte den Umgang mit Fotos, denn die Stars konnten gar nicht so schnell neue Filme drehen, wie es ihnen von den Verehrerinnen abverlangt wurde. Bilder mussten die Pausen füllen, bis der nächste Film kam. Und während er gedreht wurde, machten die Studios mit ersten Standfotos schon darauf neugierig. Die Fotografen hatten, so gesehen, eine Schlüsselrolle.

Sie waren in der Personalhierarchie der großen Produktionsfirmen nicht sehr weit oben angesiedelt. Ihre Namen waren eigentlich nur Fachleuten vertraut, sie hatten keine Rechte an ihren Bildern. Aber sie galten trotzdem als selbstbewusste Berufsgruppe, traten 1932 sogar einmal in den Streik, weil sie sich nicht ausreichend bezahlt fühlten, und manchen gelang der Sprung hinter die Filmkamera.

John Kobal, der große Fotosammler aus England, hat in einer Hom-mage an die Standfotografen die wichtigsten Namen genannt, die sich in Hollywood exponieren konnten: Ted Allen, Ernest A. Bachrach, Russell Ball, Clarence Sinclair Bull, Robert Coburn, Otto Dyar, Roman Freulich, George Hommel, George Hurrell, Ray Jones, Irving Lippman, Gaston Longet, Ruth Harriet Louise (eine der wenigen Frauen in diesem Männerreservoir), Eugene Robert Richee, A.L. „Whitey“ Schafer, William Walling, Laszlo Willinger. Sie arbeiteten auf dem Set und in den angegliederten Porträtstudios, hatten die beste Technik und das schönste Licht zur Verfügung und sortierten ihre Klienten vor allem in zwei Gruppen: eine, die aus gut vorbereiteten und aktiv mitarbei-tenden Schauspielern bestand, und die andere, zu der die gelangweilten und apathischen Stars gehörten, denen das Fotografieren eher lästig war. Zur ersten Gruppe zählten Greta Garbo, Joan Crawford und Marlene Dietrich, zur zweiten Gary Cooper, Bing Crosby und der Komiker W. C. Fields.

Stars wie Greta Garbo wussten natürlich genau, wer sie am besten foto-grafieren konnte. Sie kamen mit exklusiven Kleidern, nahmen sich Zeit für die Sitzungen, ließen sich schminken und frisieren, hatten Hoch-achtung vor der Arbeit der Fotografen. Wenn die Ergebnisse aus ihrer Sicht nicht zufriedenstellend waren, durften sie Kritik üben. Marlene Dietrich hatte sogar das Recht, darüber zu entscheiden, welche Fotos ihrer Filme publiziert werden durften und welche in den Abfallkorb wanderten. Sie war eine Perfektionistin in der fotografischen Selbst-inszenierung.

Sensibilisiert hat sie dafür ihr Regisseur Josef von Sternberg. „Er brachte mir bei, dass das Bild einer Kinofigur sich nicht nur zusam-mensetzt aus Spielen und Aussehen, sondern dass alles im Film Sicht-bare mit dazugehört. Er unterwies mich in Kameraführung, Beleuch-tung, Kostüm, Make-Up.“ Marlene konnte ihr Wissen von der Film-szene ins Fotoatelier übertragen. Denn Bilder von ihr entstanden natürlich nicht nur auf dem Set, sondern auch in den Porträtab-teilungen der Filmstudios, bei denen sie unter Vertrag stand. So wurde sie von den Großen ihrer Zeit fotografiert: Eugene Robert Richee, Don English, George Hurrell, Cecil Beaton. Das war in den dreißiger Jahren. Im Berliner Museum für Film und Fernsehen gibt es einen großen Marlene-Spiegelsaal und eine kleine Galerie mit Vintage Prints der Dietrich. Hier wird deutlich, wie ihre Physiognomie zu einem Markenzeichen werden konnte. Wenn man sich auf die Fotos genauer einlässt, sind auch die beiden Seiten der Marlene Dietrich erkennbar: die feminine und die androgyne, die sie beide in der Kleidung, in der Körpersprache und im Gesichtsausdruck betonen konnte. Sie war als Star ihrer Zeit voraus.

Deutschland, zwanziger Jahre

Aber noch einmal zurück in die Zwanziger, nach Deutschland. Babels-berg, die Ufa, Lubitsch, Lang, Murnau, Pabst. Stummfilm in der Wei-marer Republik. Die Standfotos aus dieser Zeit wirken wie Kunstwerke. Von den mythischen Filmen – ich nenne nur nosferatu, die nibe-lungen, der letzte mann, die freudlose gasse, metro-polis – sind Fotos überliefert, die den Raum öffnen, Licht und Schatten kontrastieren, magische Momente festhalten. Die Körper-sprache der Schauspieler empfinden wir heute vielleicht als theatra-lisch. Sie ist im Stummfilm ausdrucksbetonter als im Tonfilm. Aber die Präsenz eines Emil Jannings, eines Conrad Veidt, eines Heinrich George ist singulär.

Die Zwanziger sind das Jahrzehnt, das vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit führt, zum Tonfilm, zu m, zum blauen engel und kurz darauf zum Nationalsozialismus. Von den politischen Krisen und Kontroversen ist in den Bildern der puren Fiktion nur indirekt etwas zu erkennen. Für eine filmhistorische Tiefenanalyse braucht man noch andere Werkzeuge.

Aber die Fotos jener Jahre haben Dunkelheiten und Abgründe, die sie unterscheiden von den amerikanischen Filmfotos der zwanziger Jahre. Dort herrscht mehr Entertainment, es scheint überwiegend die Sonne, in Deutschland dominieren die Schatten.

In den Dreißigern nähern sich die Kinostimmungen der beiden Länder scheinbar an. Tonfilmoperette, Komödie, Melodram in Deutschland (ich lasse die wenigen Propagandafilme mal außer Acht), Musical, Comedy, Drama in den USA. Allerdings gibt es in Deutschland zu dieser Zeit keine Gangsterfilme, keinen king kong, keine modern times, ninotchka, stagecoach und gone with the wind. Amerika ist damals reicher und kreativer als Europa. Emigranten aus Deutschland, von den Nationalsozialisten vertrieben, geben der Film-produktion spezielle Inspiration. Es entstehen Filme – und Fotos von Filmen – die den Krieg überleben.

Krieg – Nachkriegszeit – Fünfziger Jahre

Die Kontraste werden mit Kriegsbeginn noch größer. jud süss, reitet für deutschland, kolberg in Deutschland, citizen kane, casablanca, the great dictator, to be or not to be in Amerika. Krieg und Ende des Krieges. Die Fotografen haben jetzt ein weites Feld zu bearbeiten, der Film ist da nur eine Parzelle. Aber das Kino lebt auch in Deutschland weiter. Die ersten Filmfotos nach dem Krieg, die ins Kulturerbe eingehen, stammen aus Wolfgang Staudtes die mörder sind unter uns.

Ein Paar blickt in eine ungewisse Zukunft. Trümmer, Trauer, Hoffnung. Lässt sich die Vergangenheit im Kino bewältigen? Deutschland ist geteilt. Die Filme in Ost und West unterscheiden sich, aber die Menschen strömen ins Kino, weil sie etwas anderes sehen wollen als ihren Alltag. In der Bundesrepublik sind vor allem die eigenen Filme erfolgreich und die Importe aus Amerika. Noch gibt es in Europa keine Bedrohung des Kinos. Aber dann ändert sich das Kino: die Filme werden farbig und breit, weil in den USA das Fernsehen dominant wird. Neue Filmstars erobern die Herzen: James Dean und Elvis Presley, Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor in Amerika, Brigitte Bardot, Sophie Loren und Romy Schneider in Westeuropa.

In der Bundesrepublik sind der Heimatfilm und der Schlagerfilm die erfolgreichsten Genres, aus den USA kommen Western, Thriller, Komödien und Melodramen. In Frankreich wird der Film kulturell reflektiert, und Ende der Fünfziger etabliert sich die „Nouvelle vague“. Ihre Protagonisten heißen François Truffaut, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette, Claude Chabrol.

In Truffauts Debut-film les 400 coups (1959) gibt es eine Hommage an die Filmfotografie. Der kleine Held Antoine kommt mit seinem Freund aus dem Kino. Ganz spontan klauen sie aus dem Schaukasten ein Foto des Ingmar Bergman-Films die zeit mit monika (1953). In dieser Form nehmen sie Harriet Andersson mit nachhause.

In den späten fünfziger Jahren begann in der Bundesrepublik die Kar-riere der Filmfotografin Li Erben. Sie hat vor allem den Filmen des Regisseurs Kurt Hoffmann, der mit Komödien viel Erfolg hatte, zu ausdrucksstarken Standfotos verholfen. Zu den Stars, die sie porträ-tierte, gehörten Ruth Leuwerik, Liselotte Pulver, Nadja Tiller und Caterina Valente. Das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt am Main hat sich um Erbens Fotografien gekümmert und 1999 eine Ausstellung veranstaltet. Im Katalog wurde die sonst eher anonyme Arbeit der Standfotografie angemessen gewürdigt.

Magnum

Film und Fotografie in den Fünfzigern. Das ist die Zeit, in der Magnum ins Spiel kommt. Nicht im Bereich der Standfotografie, sondern in der Berichterstattung über das Filmgeschehen. Gegründet wurde die Agen-tur 1947. Keiner der fünf Gründer – Robert Capa, David „Chim“ Seymor, Henri Cartier-Bresson, George Rodger, William Vandivert – war unmit-telbar in der Filmproduktion tätig. Sie verstanden sich als Fotoreporter, arbeiteten an den Brennpunkten der Welt und interessierten sich unter anderem für Film. Vor allem Robert Capa und Henri Cartier-Bresson hatten eine Affinität zum Kino. Capa war mit vielen Regisseuren und Schauspielern befreundet, Cartier-Bresson hatte bei dem französischen Regisseur Jean Renoir assistiert und drehte später verschiedene Doku-mentarfilme. 1953 engagierte Magnum den umtriebigen John Morris als Chefredakteur, der im Filmbereich die Möglichkeit zu höheren Einnahmen sah. Capa öffnete einige Türen in Hollywood. Die Geschäftsbeziehungen waren oft personenbezogen und funktionierten zum Beispiel bei unabhängigen Regisseuren wie John Huston und Anatole Litvak, aber nicht bei den großen Studios, die ihre eigenen Bild-Departments hatten.

Magnum-Fotografen wurden tätig, wenn die Magazine „Life“ oder „Look“ auf der Suche nach attraktiven Reportagen waren, sie hatten wenig mit den traditionellen Standfotografien zu tun. Einige amerika-nische Produzenten versuchten, mit der Qualität der Magnum-Foto-grafen ihre Filme für die Öffentlichkeit zu veredeln. Nicht immer ist das Niveau eines Films frühzeitig zu erkennen. In Europa wurden die speziellen Hollywood-Fotos der Agentur noch nicht wahrgenommen, hier begnügte man sich mit den Filmfotos der Produktions- und Verleihfirmen. Sie waren auch billiger zu haben.

Ein eigenes Kapitel der Magnum-Filmgeschichte ist die fotografische Begleitung des Films the misfits von John Huston im Sommer 1960. Auf dem Set agierten drei große Stars, Marilyn Monroe, Clark Gable und Montgomery Clift, der Autor Arthur Miller war vor Ort, und John Huston galt als ziemlich verrückter Regisseur. Magnum durfte exklusiv fotografieren, schickte jeweils zwei Fotografen für zwei Wochen zu den Dreharbeiten, und als diese sich hinauszögerten, blieb Eve Arnold am Ende acht Wochen in der Wüste von Nevada, wo der Film gedreht wurde. Die sehr unter­schiedlichen Bilder fügen sich zu einem erstaun-lich dichten Panorama eines ungewöhnlichen Abenteuerfilms. In dem Buch „The Misfits“ von Arthur Miller und Serge Toubiana ist die Entstehungsgeschichte des Films eindrucksvoll dokumentiert.

Die Umbrüche im amerikanischen Kino der Sechziger hatten auch für Magnum Folgen. Das Fernsehen wurde mehr und mehr zum Leit-medium, dort fand auch die Werbung fürs Kino statt. Die großen Studios verloren an Macht und Einfluss, die Filmfotografie wurde immer stärker standardisiert, alles musste schnell gehen und billig sein. Für Qualitätsfotografie blieb da wenig Spielraum. Nur wenn ein Regisseur wie Michelangelo Antonioni auf einem Fotografen wie Bruce Davidson bestand, bekam Magnum eine Chance und war deshalb bei zabriskie point dabei.

Auch die Aufbrüche des „New Hollywood“ in den Siebzigern mit Regis-seuren wie Robert Altman, Francis Ford Coppola, Steven Spielberg und Martin Scorsese fanden ohne Magnum statt. Dabei hätte man sich doch Jack Nicholson oder Robert De Niro gut vor der Kamera eines Magnum-Fotografen vorstellen können.

Der Schwerpunkt der anspruchsvollen Filmfotografie hatte sich inzwischen nach Europa und Asien verlagert. Es entstanden größere Magnum-Reportagen über die Arbeit von Regisseuren wie François Truffaut, Jean-Luc Godard, Theo Angelopoulos, Emir Kusturica oder Zhang Yimou. Bei Reisen in ferne Länder wurden von den Magnum-Fotografen auch die Filmstudios besucht: in Indien, Russland, China. Da stehen nicht einzelne Filme im Zentrum, sondern die politische Situation, aber auch die Atmosphäre und der spezielle Zauber, der noch immer vom Kino ausgeht. Mit der Wanderausstellung „Magnum Cinema“ und dem opulenten Begleitbuch durfte sich die Agentur zum 100. Geburtstag des Kinos selbst feiern. Sie hat auf ihre Weise Filmgeschichte geschrieben.

Aushangfotos

Wir erinnern uns: Standfotos und Starporträts werden vor allem für Publicity und Werbung gemacht. Sie zielen auf Zeitungen und Zeit-schriften und auf das Umfeld der Kinos. Die Verleihfirmen schicken den Kinos Plakate und Aushangfotos. Millionen Filmfans in aller Welt haben sich über Jahrzehnte durch diese Fotos ins Kino locken lassen. Sie wurden immer wieder zum Objekt der Begierde der Fans, obwohl die Kinobesitzer verpflichtet waren, sie an den Verleih zurückzuschicken, wenn der Film aus dem Programm genommen wird. Durch häufigen Einsatz hatten die Fotos an den Ecken zahllose Nadellöcher, die aber ihren Wert nicht vermindern. Meist waren die Schaukästen durch Glasscheiben gesichert, so einfach wie bei Truffaut hatten es manische Sammler selten. In den Fünfzigern, als die Farbe ins Kino drängt, werden die Aushangfotos koloriert. Dann kommt der Rotationsdruck, und die Farbfotos entstehen am Fließband. Sie werden dadurch billiger und flacher. Ihr Mythos wird zunehmend Geschichte.

Plakate

Auch Plakate galten als wertvolles Material. Mehrfach gefaltet, legten sie lange Wege von Kino zu Kino zurück. Ihre Motive waren in der Regel von besonders eindrucksvollen Standfotos inspiriert: das Haupt-darstellerpaar Wange an Wange, der Einzelne in der Menge, der Star blickt uns an. Die Bilder sind sorgfältig gemalt. In der Bildenden Kunst nennt man das Fotorealismus. Der dehnte sich bei den Uraufführungs-theatern der Großstädte auf die Fassade aus und beschäftigte spezielle Maler. Heute lassen sich zwar Riesenleinwände mühelos bedrucken, aber diese Form der Kinowerbung ist weitgehend aus der Mode gekom-men. Für Plakatsammler hat das Internet neue Möglichkeiten geschaffen. Sie sind nicht mehr auf die Kataloge der Auktionshäuser angewiesen, sie können unmittelbar am weltweiten Handel teilnehmen. Die Preise differieren, je nach Prominenz der Titel.

Kinos

Die Kinos in aller Welt warben traditionell für die Filme, die gezeigt wurden: heute und demnächst in diesem Theater. Es gab Plakate und Aushangfotos, und an der Fassade hingen große, gemalte Poster. Zu den Erfindungen der fünfziger Jahre gehörten Leuchtkästen, auf denen die Filmtitel zu lesen waren. In den Schaukästen der Uraufführungs-theater und der Nachspielkinos hingen Bilder für das Hauptprogramm, die Spätvorstellung am Wochenende und die Kindervorstellung am Sonntagnachmittag. Jugendliche waren vor allem auf die Bilder der Spätvorstellung neugierig. Aber auf den Fotos war nichts Anstößiges zu sehen. Die Zensur funktionierte bis in die späten Sechziger. Dann fielen einige Tabus, und auch die Kinoarchitektur veränderte sich: weniger Einzelhäuser, mehr Zentren.

Seit den Achtzigern findet man in einem Kinokomplex viele Säle, in denen die unterschiedlichsten Filme zu sehen sind. Da gibt es keine Werbung mehr für einen speziellen Titel. Auch die Kinonamen haben sich verändert: statt Marmorhaus, Gloria-Palast oder Universum heißen sie jetzt CinemaxX, CineStar, Cinedom. Sie stehen für Ketten. Aushangfotos sind in den Foyers kaum noch zu finden. Man setzt voraus, dass die meist jugendlichen Besucher über das Angebot bestens informiert sind. Sie haben Trailer gesehen, sind durch Fernsehwerbung angelockt und wissen ziemlich genau, welche Filme sie interessieren. Sie müssen sich nicht mehr durch Fotos motivieren lassen. Auch die Plakate haben sich verändert, sie sind nicht mehr auf Papier gedruckt, sondern hängen in Leuchtkästen, zugeordnet den Kinos 1 bis 10.

Zeitschriften / Zeitungen

Präsent sind Filmfotos noch immer in Zeitschriften und Zeitungen, und dies seit hundert Jahren. Illustrierte Zeitschriften brauchen Bilder. Für ihre Leser sind Filmfotos ideale Botschaften. Sie stimmen – wie Trailer im Kino – auf hoffnungsvolle Erwartungen ein: demnächst in Ihrem Theater. Es gibt seit Jahrzehnten die Klatschpresse (in Deutschland zum Beispiel die „Bunte“; dort lesen Sie alles, was Sie eventuell über Filmstars wissen wollen) und seriöse Filmzeitschriften („Film Com-ment“ in Amerika, „Sight and Sound“ in England, „Cahiers du Cinéma“ in Frankreich, „epd film“, „Film-Dienst“ in Deutschland, „Film-Bulletin“ in der Schweiz, „Ray“ in Österreich; Sie erfahren dort alles, was Sie über neue Filme wissen sollten), es gibt populäre Illustrierte (zum Beispiel den „Stern“, Film ist dort immer noch ein Thema), es gibt Nachrichtenmagazine (auch „Time“ und „Newsweek“, „Spiegel“ und „Focus“ interessieren sich für den Film) und so genannte Branchen-blätter („Variety“ in Amerika, „Filmecho/Filmwoche“ und „Blickpunkt: Film“ in Deutschland). Filmfotos sind für alle diese Blätter unabding-bar. Die Presseabteilungen der Verleihfirmen haben noch immer viel zu tun.

Filmkritik ist auch eine traditionelle Aufgabe der Printmedien, vor allem der Tageszeitungen. In den zwanziger Jahren befand sie sich in Deutschland auf höchstem Niveau. Fotos spielten damals in den Zeitungen allerdings eine eher untergeordnete Rolle. Das änderte sich erst sehr viel später, in den siebziger und achtziger Jahren, als die Tagespresse durch technische Entwicklungen qualitativ besser gedruckt werden konnte und auch farbige Bilder in die Blätter kamen. Inzwi-schen stellen selbst die konservativen Zeitungen wie die „New York Times“ und die „Frankfurter Allgemeine“ auffallende Bilder zu den Texten.

Filmkritiken der wöchentlichen Spitzentitel werden oft durch Szenen-fotos hervorgehoben, die sich fast plakativ wiederholen, weil die Zahl der Motive eingeschränkt wurde. Sie lassen sich aus dem Netz down-loaden, denn heute werden auch Pressehefte kaum noch auf Papier verschickt, sondern durch das Internet verbreitet. Zu einem elektro-nischen „presskit“ gehört in der Regel auch eine „Galerie“. Das sind traditionelle Standfotos, die sich bunt und variabel zum vielseitigen Gebrauch anbieten. Dank der DVD ist es auch unproblematisch, sich aus den Filmen selbst Bildmotive herauszusuchen und für den Abdruck zu bearbeiten. Ist die große Zeit der Standfotografen damit endgültig vorbei?

Websites

Wenn man die unzähligen Websites und Blogs zum internationalen Film im Netz besucht, macht man eine überraschende Erfahrung. Sie sind einerseits im Urteil zugespitzt und wortgewaltig, oft auch flapsig und jargonfixiert, haben aber hohe Bildansprüche. Auf dem Schirm sollen nicht nur Texte und Werbeangebote den Nutzer gefangen nehmen, sondern auch Trailer, und die guten alten Standfotos entfalten dort noch immer ihre eigene Wirkung. Sie prägen sich ein, auch wenn sie den Film auf wenige Motive reduzieren.

Filmprogramme

Ein spezielles Publikationsangebot, das ohne Szenenfotos gar nicht hätte erfunden werden können, ist inzwischen ausgestorben: das Filmprogramm. Es hatte vor allem in Deutschland eine große Sammler-gemeinde. Der erste „Illustrierte Film-Kurier“, der an der Kinokasse verkauft wurde, erschien im September 1919. Die Serie endete im Winter 1944/45 mit der Nummer 3379 (kolberg). Filmprogramme bestanden aus Bildmontagen, als Informationen enthielten sie Angaben zur Besetzung und zum Stab sowie eine Inhaltsangabe. Ihr Umfang: vier bis acht Druckseiten. Man kann die alten Ausgaben noch heute auf Flohmärkten finden. Spezielle, gesuchte Titel sind inzwischen sehr teuer. In Amerika, England oder Frankreich gab es diese filmverliebten Programmhefte nicht.

Nach dem Krieg wurde die „Illustrierte Film-Bühne“ gegründet. Sie brachte es von 1946 bis 1969 auf 8069 Titel. Die Nummer 1 galt dem Film suspicion von Alfred Hitchcock, die Nummer 8069 dem zweiten Teil der nichten der frau oberst. Auch das kann man eine Entwicklung nennen. Parallel erschien in der Bundesrepublik noch das „Illustrierte Filmprogramm“ (geschätzt: rund 5000 Ausgaben), in der DDR gab es das „Progress-Film-Programm“ und in Österreich den „Neuen Film-Kurier“. Von hoher Qualität war „Die kleine Filmkunst-reihe“ des Verleihs Walter Kirchner (90 Hefte von 1957 bis 1968), der auch in der Grafik seiner Plakate eigene Wege ging. Ähnlich ambitio-niert verfuhr der atlas-Filmverleih, der zwischen 1962 und 1967 eine eigene Programmheftreihe herausgab und sich ebenfalls im Plakat­bereich profilierte. Auch früher gab es im Kino schon die Trennung zwischen Main­stream und Arthouse. Filmfotos waren für beide unabdingbar.

Werkfotos

Standfotos und Porträts sind die eine Seite der Filmfotografie. Werk-fotos die andere. Sie dokumentieren die Arbeit am Film, die Atmosphäre auf dem Set, behind the Scenes. Schon immer gab es eine Neugierde, hinter die Kulissen zu schauen. Was tun die Stars, bevor sie vor der Kamera agieren, wie bereiten Regisseur und Kameramann, Masken-bildner und Aufnahmeleiter den Dreh vor?

Zwischen den technischen Geräten bewegen sich die Protagonisten, die für einen Film Verantwortung tragen. Es gibt spezielle Klappstühle für Regisseure und Dar­steller, die mit ihrem Namen gekennzeichnet sind. Die Kameras dominieren im Raum, ihr Operationsfeld ist abhängig von der Ausstattung des Sets. Werkfotos erzählen Fachleuten viel über die Produktionsbedingungen, über Technik und Handwerk. In der vordigi-talen Zeit wurden Filmtricks weitgehend im Studio arran­giert. Der Autoverkehr zwischen den Hochhäusern von metropolis war eine besonders diffizile Angelegenheit. Die kleinen Spielmobile wurden von den Technikern Bild für Bild vorwärts bewegt, 24mal in der Sekunde.

Filmbilder und Kunst

In den fünfziger Jahren gab es in Amerika und England die ersten Exponenten der Pop-Art. Sie opponierten gegen die Sterilität der abstrakten Gegenwartskunst und verbanden in plakativer Farbigkeit Elemente der Reklame, der Comics, des Star­kults. Zu ihren avancier-testen Vertretern gehörte der amerikanische Grafiker und Filmemacher Andy Warhol. Weltberühmt wurden seine im Siebdruck hergestellten seriellen Bilder von Campbell’s Suppendosen bis zu Marilyn Monroe. Das Standbild aus dem Film niagara hat Warhol über Jahre hinweg variierend weiterverarbeitet. Es wurde fast zu einem Markenzeichen für seine Kunst.

Der englische Künstler Richard Hamilton hat sich ausführlich mit Filmstandbildern auseinandergesetzt, speziell mit Fotos aus dem Film Noir shockproof von Douglas Sirk mit Patricia Knight. Ihn interessierte vor allem die Positionierung einer weiblichen Figur in einem künstlichen Raum, die er – in verschiedenen Entwürfen – selbst inszenieren kann. In einer zweiten Serie, „Desk“, verzichtete Hamilton auf Personen und spielte mit Objekten, die in Beziehung zum Schreib-tisch gesetzt werden. Winfried Pauleit hat in seiner Studie „Filmstand-bilder. Passagen zwischen Kunst und Kino“ Hamiltons Umgang mit Filmstills vertiefend analysiert.

Die Amerikanerin Cindy Sherman trieb in den späten siebziger Jahren ein eigenes künstlerisches Spiel mit Filmstills und sich selbst. Sie inszenierte sich als junges Mädchen, körpersprachlich inspiriert von B-Pictures, in denen bekanntlich keine Stars auftauchen, sondern typi-sierte Figuren, die sich in Aktion und Handlung realisieren. Sherman posierte auf dem Bett, in der Küche, am Strand, in der Stadt, vor dem Spiegel. Sie imitierte in einer Performance, immer allein im Bild, Momente des Wartens, der Einsamkeit, der Angst, der Entschlos-senheit. Die Bilder beziehen sich explizit auf die Standfotografie. Arthur C. Danto hat in seiner Einleitung zu „Untitled Film Stills“ sehr genau das Sherman-Phänomen beschrieben.

Die Archive

Filmgeschichte: das sind die Filme, die in aller Welt gedreht wurden, von denen viele in Erinnerung bleiben. Allein in Deutschland wurden in den letzten hundert Jahren rund 10.000 Spielfilme gedreht. Natür-lich sind nicht alle erhalten. Vor allem die Stummfilmzeit bis 1929 ist nur noch bruchstückhaft überliefert. Manchmal, wie bei Fritz Langs metropolis, können Fragmente durch überraschende Archivfunde ergänzt werden. Oft sind nicht einmal mehr Bruchstücke vorhanden.

Überhaupt: die Archive. Ihnen ist zu verdanken, dass Filmgeschichte lebendig bleibt, dass Negative und Kopien gesammelt und gepflegt werden, in manchen Ländern sorgfältiger als in anderen. Viele Archive haben auch Spezialsammlungen mit Filmfotografien. Den größten Bestand hat auf diesem Feld das British Film Institute in London. Man spricht von über zwei Millionen Stück. In England gibt es auch das größte Privatarchiv, die Kobal-Collection, die ebenfalls mehr als zwei Millionen Fotos verwahrt, ihr Schwerpunkt ist das klassische Hollywoodkino. Die Stiftung Deutsche Kinemathek in Berlin verfügt über mehr als eine Million Fotos. Ihr Gründungsdirektor Gerhard Lamprecht hatte schon als junger Mensch in den zwanziger Jahren alles mit dem Film zusammenhängende Material gesammelt. Die alten Fotos wurden von ihm auf der Rückseite sorgsam beschriftet: Titel des Films, Produktionsjahr, Regisseur, abgebildete Schauspieler. In vielen Fällen würden die Namen heute nicht mehr zu ermitteln sein. Nutzer des Fotoarchivs sind verpflichtet, die wertvollen Fotos nur mit Hand-schuhen anzufassen. Wer Fingerabdrücke hinterlässt, hat keinen Respekt vor dem empfindlichen Fotomaterial. Um die Fotos vielseitig verfügbar zu machen, werden sie nach und nach gescannt. Kunden des Archivs sind Kommunale Kinos, Film- und Fernsehzeitschriften, Verlage mit Filmbüchern im Programm.

Das Nachleben der Filmbilder

Jeder, der ins Kino geht oder dies früher getan hat, behält Erinnerun-gen an das, was er dort gesehen hat. Es ist nie der ganze Film, der im Gedächtnis bleibt, es sind Szenen oder einzelne Bilder. Wie eine Ge-schichte beginnt, wie sie sich zuspitzt, wie sie glücklich oder katastro-phal endet. Auch wenn Dialoge, Musik und Geräusche längst unab-dingbar zum Filmerlebnis gehören, haben Bilder, Gesichter, Blicke die größere Langzeitwirkung. Sie wird jederzeit aktiviert, wenn wir in einem Filmbilderbuch blättern oder – wie zum Beispiel bei der Oscar-Verleihung – eine Montage besonderer Szenen sehen. Fast automatisch formen sich dann einzelne Bilder zu größeren Zusammenhängen. Im besten Fall sagen wir: den Film möchte ich gern mal wieder sehen. Porträtfotos aus der klassischen Kinozeit sorgen dafür, dass wir all die Stars nicht vergessen, die wir geliebt haben. Und auch die, die wir überhaupt nicht mochten, haben eine Chance, in unserem Gedächtnis zu über­leben. Wer intensiv im Kino sozialisiert wurde, kann sich oft noch daran erinnern, wann und wo er einen bestimmten Film gesehen hat, in welcher Begleitung (Eltern, Freund, Freundin), vielleicht auch mit welcher Wirkung (gelacht, geweint). Wenn ich ein Foto sehe von Setsuko Hara, dann erinnere ich mich, dass diese Schau­spielerin in den fünfziger Jahren in den Filmen von Yasujiro Ozu meine Neugierde auf das japanische Kino geweckt hat. Ich bin mit Starpostkarten aufge-wachsen, habe Autogramme gesammelt und Filmbilder haben mich bis in die Träume begleitet, gelegentlich auch verfolgt. Die reale und die imaginäre Welt habe ich dennoch nicht verwechselt.

Die Kinoliebe wird in vielen Filmen thematisiert. In drei Filmen beson-ders nachhaltig. Ein Kinovorführer ist einer der beiden Protagonisten des Films im lauf der zeit (1975) von Wim Wenders. Er fährt mit seinem umgebauten Möbelwagen an der deutsch-deutschen Grenze entlang und repariert Projektoren in Landkinos. Er tut das mit großer Leidenschaft. Am Ende des Films sagt eine Kinobesitzerin zu ihm: „Aber so wie es jetzt ist, ist es besser, es gibt kein Kino mehr, als dass es ein Kino gibt, so wie es jetzt ist.“

cinema paradiso von Giuseppe Tornatore erzählt auf subtile Weise von der Emotionalität, die Filme auszulösen vermögen. Als der italie-nische Film 1989 ins Kino kam, erlebten ihn viele wie eine Beerdi-gung, denn das baufäl-lige Kino „Paradiso“ wird am Ende abgerissen und der Filmvorführer Alfredo begraben. Was überlebt, ist eine Filmrolle mit all den Kuss-Szenen, die der Vorführer auf Anweisung des strengen Dorfpfarrers aus den Filmkopien heraus­schneiden musste. Tornatores Liebeserklärung ist eine spezielle Last Picture Show, ein Abschied vom gestrigen Kino.

Ein dritter Film, lola rennt, zeigt, dass es heute verschiedene Möglich-keiten gibt, eine Geschichte zu erzählen. Der kinobesessene Tom Tykwer lässt seine Lola kurz vor der Jahrtausendwende dreimal durch Berlin laufen, um ihrem Freund das Leben zu retten. Das Erkennen der kleinen und großen Differenzen ist der Lustgewinn der Zuschauer. Das Plädoyer für die offene Form vermittelt auch eine Vision von der Zukunft des Kinos. Es wird immer neue Bilder geben, immer andere Varianten alter Geschichten, und wir werden sie, wenn sie gut erzählt sind, auch noch viele Jahre im Kino sehen. Dort sind sie einfach berührender als auf dem Handy.

Literatur:

Edmund Bucher/Albrecht Kind (Hg.): Film-Photos wie noch nie. 1200 interessante Photos aus den besten Filmen aller Länder. Gießen: Kindt & Bucher Verlag 1929. Nachdruck: Köln: Walther König 1978. – Silke Hartmann/Hans-Peter Reichmann (Red.): Gesichter, Szenen, Impres-sionen. Fotografien von Li Erben. Frankfurt am Main: Deutsches Film-museum 1999 (Ausstellungskatalog, deutsch/französisch). – Ruth Christine Häuber (Konzeption): Traumfabrik. Die Kunst der Filmphoto-graphie. Köln: Museum Ludwig 1990 (Ausstellungskatalog). – Anne-marie Hürlimann/Alois Martin Müller (Hg.): Film Stills. Emotions Made in Hollywood. Zürich: Museum für Gestaltung 1992 (Ausstel-lungskatalog). – John Kobal (Hg.): Great Film Stills of the German Silent Era. With an Introduction by Lotte H. Eisner. New York: Dover 1980 (Ausstellungskatalog, zweisprachig). – John Kobal: Spiegelbild eines Traums. In: Kino * Movie * Cinéma. Berlin: Argon 1995, S. 36-42 (Essay im Ausstellungskatalog). – Arthur Miller/Serge Toubiana: The Misfits. Chronique d’un tournage par les photographes de Magnum. Paris: Cahiers du Cinéma 1999. (dt.: München: Kehayoff 2000). – Win-fried Pauleit: Filmstandbilder. Passagen zwischen Kunst und Kino. Frankfurt am Main/Basel: Stroemfeld 2003. – Cindy Sherman: Untitled Film Stills. München: Schirmer/Mosel 1990 (mit einem Text von Arthur C. Danto). – Agnès Sire/Alain Bergala (Konzeption): Magnum Cinema. Ein halbes Jahrhundert Kino in Magnum-Photographien. Mit Texten von Alain Bergala. München: Schirmer/Mosel 1994 (Katalog zu einer Wanderausstellung; aus dem Französischen).

Magnum am Set. Publikation zur Ausstellung im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern. München: Schirmer/ Mosel 2010