Texte & Reden
27. Februar 2009

Die Chefin vom Dienst

Rede zur Verabschiedung von Christa Schahbaz

 

Liebe Frau Schahbaz, liebe Gäste dieses Abends,

ich könnte es mir jetzt einfach machen und drei schöne Anekdoten aus dem Kinematheksleben von Christa Schahbaz erzählen. Eine aus der Pommernallee, eine aus der Heerstraße, eine aus der Potsdamer Straße. Aber die Beziehung zwischen der Kinemathek und Frau Schahbaz ist mehr als ein Anekdotenschatz, selbst wenn die Pointen gut funktionieren würden. Und ich bin ohnehin kein guter Anekdotenerzähler.

Also mache ich es mir etwas schwerer, weil ich jemandem gerecht werden möchte, der es sich selbst auch nie leicht gemacht hat. Ich spreche jetzt gleichermaßen über eine Liebes- und eine Leidensgeschichte. Und ich behaupte zuerst einmal: Die Kinemathek und Frau Schahbaz waren eigentlich nicht füreinander bestimmt.

Die Kinemathek ist eine Institution, die auf staatliche Förderung angewiesen ist, ein schöner Ballon in den Auf- und Abwinden kultureller und finanzieller Gunst, abhängig von politischen Konstellationen, Senatsverwaltungen und der Bürokratie eines Bundesverwaltungsamtes. Christa Schahbaz ist eine Person, die sich in ihren Kriterien an freier Marktwirtschaft, an Leistung und Erfolg orientiert. Sie hat keine Affinität zu kulturpolitischer Lyrik, sie interessiert sich für die sehr reale Prosa. Und vor allem für Zahlen und Fakten. Das schließt ein Gefühl für soziale Fragen nicht aus. Schließlich ist sie bekennende Sozialdemokratin.

Sie hat am 2. Januar 1977 als sogenannte Sachbearbeiterin und Fremdsprachensekretärin – eingruppiert nach BAT VIb – an der Kinemathek ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Erwartung war mit einem Aufstieg verbunden. Gemessen an den Leistungen, die sie zu bringen vermochte. Sie stieg nach einiger Zeit in die Vb auf, ihr Nahziel war aber die IVa, weil dann ein sogenannter Bewährungsaufstieg möglich gewesen wäre. In den achtziger Jahren bekam Frau Schahbaz Angebote aus der freien Wirtschaft. Sie blieb der Kinemathek treu und durfte sich ab 1988 „Assistentin des Vorstands“ nennen. Aber sie wollte sich nicht irgendwie nennen, sondern etwas sein, und dafür war sie auch zur Übernahme von mehr Verantwortung bereit. Die Kinemathek wurde größer und größer, sie wanderte von der Pommernallee in die Heerstraße. Frau Schahbaz wanderte mit und schaffte 1999, nach 23 Jahren, einen Sprung: sie wurde Referentin der Abteilung „Öffentlichkeitsarbeit“. Die neue Abteilung bestand aus ihr, und sie bekam nun die Vergütung BAT III (später kam dann auch noch der Bewährungs-aufstieg nach IIa). Von BAT VIb in die III aufzusteigen ist eine reife Leistung, auch wenn es wirklich lange gedauert hat. Nur wer die Gehaltsnormen des Öffentlichen Dienstes kennt, kann diesen Kraftakt würdigen. Respekt!!

Das war ein Jahr vor unserem Umzug an den Potsdamer Platz. Der Preis. den Frau Schahbaz bezahlte, war die Versetzung in ein Niemandsland. Sie musste etwas aufbauen, was es noch nicht gab. Denn plötzlich wollte die Kinemathek mit dem Filmmuseum die Öffentlichkeit erreichen. Und die vitale, pragmatische Frau Schahbaz hatte es mit extremen Individualisten zu tun: Jacobsen, Sudendorf, Prinzler im eigenen Haus, Helmut Jahn, Hans Dieter Schaal und Jakob Lehreke als Erbauer und Gestalter eines neuen Hauses. Da war es dann ein Glücksfall, dass es wenigstens das „Billy Wilder’s“ als kleines Haus im großen gab und Manfred Otte als gastronomischen Chef.

Der Umzug an den Potsdamer Platz und die Eröffnung des Filmmuseums  waren für Frau Schahbaz zunächst kein Happyend, sondern führten zu einer Krise. Kurz nach der Eröffnung des Filmmuseums – ich erinnere mich daran mit Schrecken – wurde sie schwer krank, und es dauerte fast ein Jahr, bis sie zu uns zurückkehrte. Eine harte Zeit, die sie viel Kraft gekostet hat.

Da stand nun ein Filmhaus im Zentrum der Stadt. Ich will es nicht als Geschenk des Himmels über Berlin bezeichnen, denn wir haben schließlich hart dafür gearbeitet. In Gemeinschaft mit dem Arsenal und der DFFB und mit Frau Schahbaz in unserer Mitte. Dass sie nicht alles gut fand, was da so passierte, ist selbstverständlich. Sie hat schließlich einen eigenen Kopf und ist gelegentlich auch das, was man eine „Besserwisserin“ nennt. Von heute aus sage ich das mit respektvoller Gelassenheit.

Frau Schahbaz ist auch alles andere als eine Märchentante. Konkret: sie öffnet nicht ihre Schürze und wartet auf den Regen der Sterntaler. Sie akquiriert. Wer mit ihr über Gebühren, Mieten oder Sponsorenleistungen verhandelt, weiß, wovon ich rede. Auch das verweist wieder auf ihre enge Bindung an die reale Geschäftswelt. Für Leistung soll bezahlt werden. Sie ist eine ehrliche Maklerin, die aber einen fast sportiven Ehrgeiz entwickelt, wenn es gilt,  Prozente in die Kasse zu kriegen.

Wir haben an die dreißig Jahre zusammengearbeitet. Ich habe sie bewundert, aber auch über sie geseufzt. Natürlich ist die Bilanz am Ende mehr als positiv zu ihren Gunsten.

Ich habe sie bewundert als sprachmächtige Person. Englisch, Französisch, Persisch, Italienisch. Vor allem auch: Deutsch. Sie hat ein Sprachgefühl, das sie zu einer sensiblen Redakteurin qualifiziert. Sie fühlt sich nicht zur Autorin berufen, aber sie kann einem Text zur wirklichen Qualität verhelfen, weil sie ihn nicht oberlehrerinnenhaft korrigiert, sondern auf seine Sprachmelodie prüft. Das ist eine ganz besondere Begabung, wie ich sie sonst eigentlich nur bei meiner Frau kenne. (Ich lasse mal die Hausredakteurinnen Helga Belach und Gaby Jatho außer Acht.)

Schwieriger war es für mich, wenn Christa Schahbaz zur Hobbygrafikerin wurde. Was auch immer aus dem Büro von Volker Noth ins Haus kam: sie hatte Verbesserungsvorschläge. Ich gebe zu, das war mir manchmal richtig lästig. Im Prinzip ging es bei unseren Diskussionen über Plakate, Einladungen oder Logos immer um Ästhetik und Geschmack. Auch wenn konkret nur über Größen, Positionen oder Schriftarten gestritten wurde. Im Endeffekt vertraute ich ihr dann doch mehr in der Sprache als im Bild. Und im Handeln.

Sie wäre für mich in einer Filmproduktion nicht die Regisseurin, die Kamerafrau oder gar die Hauptdarstellerin. Denn vor der Kamera, im Rampenlicht fühlt sie sich ohnehin nicht wohl. Wahrscheinlich wäre sie in der Filmbranche eine hervorragende Herstellungsleiterin oder in einem Zeitungsbetrieb eine ideale „Chefin vom Dienst“. Aber das ist jetzt nur eine späte spielerische Vision.

Frau Schahbaz hat sich nie als Fachfrau für Film betrachtet. Da wusste sie, dass in der Kinemathek der Sachverstand anders verteilt ist. Aber sie hat sich immer als Vertreterin der Öffentlichkeit gesehen. Sie glaubt zu wissen, wer was erleben möchte. So etwas nennt man Gespür für Erwartungen. Und das prädestinierte sie für eine Stelle im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.

An einer Figur vor unserem Haus haben wir uns richtig abgearbeitet. Der Mann mit dem kleinen Hütchen und dem großen Namen. Sie hat Recht: an der kalten Fassade dieses Hauses ist er ein emotionaler Stopper. Die Leute lassen sich mit ihm fotografieren. Das bringt Aufmerksamkeit. Aber schön, in einem drüber hinaus weisenden Sinne, ist er wirklich nicht.

In dieser Frage, liebe Frau Schahbaz, liegen wir weiterhin auseinander, auch wenn ich mich Ihnen heute Abend sehr nahe fühle. Ich danke Ihnen für eine lange, gute Zusammenarbeit und begrüße Sie im Kreis der Ruheständler.

27. Februar 2009, Museum für Film und Fernsehen

(P.S. am 28. Februar, nach persönlicher Rücksprache: Sie haben natürlich Recht: die Figur wurde von ihnen nie ästhetisch gerechtfertigt, sondern nur in der Wirkung. Aber die Pointe mit dem Rühmann konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Oder?)