Texte & Reden
10. Februar 2004

Erika Rabau

Laudatio anlässlich der Übergabe der „Berlinale-Kamera“

Liebe Erika Rabau –

jetzt geschieht etwas, was Du eigentlich nicht magst. Du bist jetzt für einen kurzen Moment nicht die fotografierende Beobachterin, sondern die Protagonistin. Du stehst selbst im Mittelpunkt. Sei ganz ruhig – was Dir schwer fällt – relax, lass Dich einfach feiern.

Du wirst mit der „Berlinale-Kamera“ ausgezeichnet, weil Du seit 32 Jahren dieses Festival als Fotografin begleitest. Weil Du zu diesem Festival gehörst, seit wir denken können. Du bist auf spürbare Weise dabei, und als Du einmal nicht mehr dabei sein konntest, haben wir das alle gemerkt.

Über Dein Leben gibst Du wenig bekannt: Geboren in Danzig. Mit 17 – wann auch immer das war – nach Argentinien gegangen. Dort das Fotografieren gelernt. Vor allem die Theaterfotografie. 1972 nach Berlin zurückgekehrt. Arbeit als Dolmetscherin und schnell auch als Fotografin. Das war die Zeit, in der noch Alfred Bauer die Berlinale leitete, aber das Internationale Forum schon erfunden war. Es war die Zeit, in der es noch die Filmbühne Wien, das Marmorhaus, den Gloria-Palast und das Astor-Filmtheater gab. Im Astor fanden seit 1977 unsere Retrospektiven statt. Seither kennen wir uns. Viele Gäste unserer Retrospektiven und Hommagen hast Du fotografiert: Dolly Haas und Curt Bois, James Stewart und Gregory Peck, Fred Zinnemann und Elia Kazan, Jane Russell und Sophia Loren, Jack Lemmon, Shirley MacLaine und Kim Novak, Jeanne Moreau, Anouk Aimee. Und all die anderen Stars der Berlinale in 32 Jahren.

In Deinen Bildern gibt es wenig Ruhe, viel Bewegung. Sie geben Atmosphäre wieder, sie zeigen Menschen in Aktion, sie sind Deine Blicke auf das Geschehen. Mit Gesten, Gefühlen, mit der Stimmung des Moments. Auch mit den inoffiziellen Augenblicken. Du bist die Dokumentaristin unter den Fotografen, Deine Bilder haben oft eine zweite oder dritte Ebene, einen Hintergrund, in dem etwas passiert. Du inszenierst nicht, Du beobachtest. Darin liegt die große Qualität einer Reporterin.

Du bist zu erkennen an der schwarzen Lederkluft, an der Leica, an den blonden Haaren. An den Energien, mit denen Du auf Deine Motive zusteuerst. Und an der Stimme natürlich, denn manch­mal muss man sich in Deinem Beruf auch lautstark bemerkbar machen. Du bist umgeben von vielen Männern, denn Dein Beruf ist sehr männer-dominiert. Du setzt Dich durch, in der Konkurrenz, wohl auch im Leben.

Im Nebenberuf bist Du Chargenschauspielerin. Darüber hat Dein wichtigster Regisseur, Lothar Lambert, heute im Tagesspiegel sehr freundschaftlich geschrieben.

Jemand schrieb, dass die Berlinale in diesem Jahr ein Frauenfestival sei. Da passt es doch besonders gut, dass Du heute ausgezeichnet wirst. Du bist das Bildgedächtnis der Berlinale. Dein Archiv gehört in die Kinemathek, ins Filmmuseum. Dieter Kosslick überreicht Dir die Berlinale-Kamera. Und ich wechsle mal kurz auf die andere Seite und versuche, Dich bei der Übergabe zu fotografieren. Ich weiß, dass mir dafür viele Voraussetzungen fehlen. Erika, ich verneige mich.

Filmmuseum Berlin, 10. Februar 2004.