Der Kinematheksverbund

Vortrag in Düsseldorf

Ich habe zu reden über den Kinematheksverbund, und das bedeutet für Sie, nachdem wir gestern Nachmittag schon ein bisschen in die Zukunft geschaut und vor allem auch technologische Fragen erörtert haben, dass Sie mit mir noch einmal einen kurzen Weg in die Vergangenheit gehen müssen: zurück in die 60er und 70er Jahre, die für das Verständnis von Filmarchivierung und für viele Defizite sehr wichtig waren.

Wir müssen uns erinnern, was es in den 60er Jahren gab: Es gab das Bundesarchiv, seit 1953 auch als Filmarchiv, befasst mit der Archivierung von Dokumentarfilm-Material und von Spielfilmen, die vom Bund gefördert wurden. Damit endeten allerdings zunächst die filmarchivischen Aufgaben des Bundesarchivs. Es existierte das Deutsche Institut für Filmkunde (DIF), damals noch in Wiesbaden, 1949 gegründet. Wiesbaden war der Standort der Filmwirtschaft, der SPIO, der FSK, der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung. Für das DIF war und ist diese Nachbarschaft immer sehr wichtig. Und es gab schließlich, 1963 als eingetragener Verein gegründet, die Deutsche Kinemathek in West-Berlin, die 1971 in eine Stiftung umgewandelt wurde.

Die 60er Jahre gelten filmhistorisch in der Bundesrepublik Deutschland als eine Aufbruchszeit. Die Etablierung des Jungen Deutschen Films nach dem Oberhausener Manifest 1962 brachte durch neue Förderungsmodelle eine neue Stimmung im Produktionsbereich, die sehr aufregend war. Für die Filmarchivierung waren die 60er Jahre dagegen eine desolate Zeit. Das hat zwei Gründe: Zum einen konnten sich die Kulturpolitiker nicht darauf verständigen, wie man ein zentrales deutsches Filmarchiv – und das betrifft jetzt nur die Bundesrepublik, die DDR hatte Mitte der 50er Jahre ihr Staatliches Filmarchiv gegründet – , wie man ein solches Filmarchiv für die Bundesrepublik Deutschland konstituieren könnte angesichts der Kulturhoheit der Länder und der eingeschränkten Verantwortlichkeit des Bundes. Zum anderen hatten die jüngeren Filmemacher eine heftige Aversion gegen den deutschen Film der 50er Jahre, nicht zu reden vom Film der 40er, der 30er Jahre, der nationalsozialistischen Zeit. Das heißt, die jungen Filmemacher waren in einer Opposition zum bisherigen Film angetreten und konnten überhaupt kein Verhältnis zum Archivieren entwickeln; außer, was dann so langsam kam, zur Sicherung ihrer eigenen Werke. Die 50er Jahre waren das Hassobjekt des Jungen Deutschen Films, und der Nationalsozialismus war die unbewältigte Zeit. Die Aufbruchstimmung der jüngeren Filmemacher der 60er Jahre fand ohne ein Bewusstsein der eigenen Filmgeschichte statt, immer mit dem Blick vor allem auf Frankreich, natürlich auch auf Italien und später dann mehr und mehr auf Amerika.

Es dauerte bis weit in die 70er Jahre, bis es gelang, in sehr schwierigen Verhandlungen eine Konstruktion zu entwickeln, die wir „Kinematheksverbund“ nennen. Nachdem sich die Länder innerhalb der Kultusministerkonferenz und eines entsprechenden Unterausschusses nicht darauf hatten einigen können, an einer Stelle ein gemeinsames, zentrales Filmarchiv zu errichten, hat der Bund in einem Zusammenwirken mit dem Land Berlin, das damals auf dem filmpolitischen Sektor besonders aktiv war, diesen Verbund gegründet und dabei die Möglichkeit offen gelassen, dass andere Bundesländer ihm beitreten. Das einzige Land, das damals davon Gebrauch gemacht hat, war das Land Hessen. Es wurde dann ein Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Land Berlin über die Gründung eines Kinematheksverbundes abgeschlossen, und eine Dreiergruppe, nämlich das Bundesarchiv, die Stiftung Deutsche Kinemathek und das Deutsche Institut für Filmkunde, bildete das Fundament. Diesem Verbund konnten dann andere filmkulturelle Einrichtungen, soweit sie mit Archivierung beschäftigt waren, durch ein Kooptionsverfahren beitreten. Jedes der drei Mitglieder hatte das Recht, ein weiteres Mitglied zu kooptieren, und der Kinemathek zum Beispiel war es immer eine Ehre, das Filminstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf zu kooptieren,; das Bundesarchiv hat dasselbe mit dem Münchner Filmmuseum gemacht, und das Deutsche Institut für Filmkunde hat das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt kooptiert. Insofern waren wir dann sechs in diesem Verbund, zumindest ab Anfang der 80er Jahre.

Entscheidend bei der Gründung dieses Kinematheksverbundes war, dass die bis dahin oft konkurrierend und sehr fragmentarisch geleistete Arbeit koordiniert werden konnte. Es gab eine Aufgabenteilung, die folgendermaßen aussah: Das Bundesarchiv wurde als eine Art zentrales Filmarchiv damit beauftragt, die gesamte deutsche Filmproduktion, also Spielfilm und Dokumentarfilm, zu sammeln, zu bewahren und zu sichern. Dem Bundesarchiv wurde diese Verantwortung übertragen, weil es über die besten technischen Einrichtungen und das beste Know-How auf diesem Gebiet verfügte und man sich sicher sein konnte, dass dort diese zentralen Aufgabe auch wahrgenommen werden konnte, während die anderen Einrichtungen weder personell noch technisch dazu in der Lage waren.

Dem Deutschen Institut für Filmkunde und der Deutschen Kinemathek wurde durch den Vertrag die Aufgabe übertragen, durch Publikationen, Veranstaltungen und Ausstellungen den kulturellen Wert des deutschen Films öffentlich zu machen. Vor allem wurde ihnen die Aufgabe übertragen, die vom Bundesarchiv gesammelten und aufbewahrten Filme nicht-gewerblich zu verleihen, das heißt die Auswertung des Filmbestandes sollte – selbstverständlich unter Berücksichtigung aller bestehenden Rechte – durch das Deutsche Institut für Filmkunde und die Deutsche Kinemathek erfolgen.

Dieser Kinematheksverbund war sicherlich eine Hilfskonstruktion; möglicherweise ist er es immer noch. Aber er hat als Instrument über alle Jahre – und es sind inzwischen immerhin schon 16 – relativ gut funktioniert. Seine einzige Schwäche ist, dass er als Verbund keine eigenen Mittel bekommt, sondern dass er so kraftvoll ist wie die Summe seiner Mitglieder, die sehr unterschiedliche institutionelle Zuwendungen erhalten.

Ich denke, dass dieser Kinematheksverbund durch die Institute in München, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und Potsdam – denn inzwischen ist auch noch das dortige Filmmuseum kooptiert worden – eine spezifische Kraft entwickelt hat. Die Partner treffen sich zweimal im Jahr, so sieht es die Geschäftsordnung vor, in einem Koordinierungsrat und besprechen dort ihre Projekte, Veranstaltungen und alle Probleme, die sie beschäftigen.

Es ist damit ein Instrument geschaffen worden, das Synergien entwickeln kann, aber es gibt eben kein zentrales Institut. Und ich denke, dass die Arbeit der letzten 15/16 Jahre immer verbunden gewesen ist mit den speziellen Initiativen der Institute, sei es das Filminstitut in Düsseldorf, sei es das Filmmuseum in München, das Deutsche Filmmuseum Frankfurt, das Deutsche Institut für Filmkunde und auch die Deutsche Kinemathek. Im Zentrum steht immer wieder das Bundesarchiv als das kraftvollste, das auch von der Personal- und Finanzausstattung gewichtigste Mitglied in diesem Kinematheksverbund.

Wir müssen uns auch noch einmal in Erinnerung rufen, dass die Hauptaufgabe im Kinematheksverbund und bei diesen genannten Institutionen die Pflege des Spielfilms ist; dabei wird nicht vernachlässigt, dass es den Dokumentarfilm, den Kurzfilm, den Werbefilm, den Avantgarde-Film, der vielleicht das am wenigsten gepflegte Kind ist, gibt, und dass einzelne Institutionen sich gerade um diese Bereiche kümmern; aber im Mittelpunkt der Arbeit steht der Spielfilm, dessen Ansehen und Bedeutung immer die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Auf der anderen Seite ist ja der Spielfilm nicht nur ein Kulturgut, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor, und die Kulturpolitiker haben natürlich in den 60er und 70er Jahren gefragt: warum kann der Film, der vor allem ein Wirtschaftsgut ist, sich nicht selbst organisieren und sein Archiv für sich selbst schaffen. Aber die Filmproduzenten hatten nur ein geringes Interesse an dieser Form von Archivierung. Sie waren eher darauf erpicht, dass immer neue Produktionen entstehen, und dass sie möglichst schnell ausgewertet werden, und es war ihnen eigentlich egal, was danach damit passierte. Hinzu kam, dass vor allem in den 50er Jahren diese Firmen zum Teil sehr kurzlebig waren, das heißt, sie wurden für’s schnelle Geld gegründet, haben einige Filme produziert und gingen in den Konkurs; und dann waren die Filme in der Regel auch mit den Ausgangsmaterialien schnell verschwunden. Das führte dazu, dass wir gerade für die 50er Jahre im Spielfilmbereich große Lücken in der Archivierung feststellen, dass dort sehr viel verloren gegangen ist, was zum Teil unwiederbringlich ist. Wenn die Produzenten und Verleiher damals geahnt hätten, was für eine Programmkapazität sie herstellten, wären sie möglicherweise sehr viel sorgsamer umgegangen mit dem, was sie produziert haben; aber damals war alles für den alsbaldigen Gebrauch bestimmt. Insofern waren immer wieder die Kulturpolitiker gefragt.

Ich sollte noch darauf eingehen, dass wir im Kinematheksverbund neben dem Koordinierungsrat, der für den Informationsaustausch und die Kooperation unter den Institutionen sehr wichtig ist, eine Reihe von Arbeitsgruppen gebildet haben

So wurde eine erste Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Problematik von Nitromaterial beschäftigte. Sie hat Kriterien dafür entwickelt, wie damit umzugehen ist, und hat Prioritäten für die Umkopierung empfohlen. Diese Arbeitsgruppe hat ein paar Jahre ihre Arbeit getan und kann als abgeschlossen gelten, ohne dass damit allerdings das Problem der Nitro-Umkopierung gelöst ist.

Eine zweite Arbeitsgruppe hieß „Film im Exil“. Das ist ja ein sehr spezielles und notwendiges Kapitel deutscher Filmgeschichte. Die Arbeitsgruppe hat jedoch eher etwas unentschlossen vor sich hingearbeitet und ist dann sanft entschlafen.

Dann entwickelte sich aber etwas Neues, und das hat damit zu tun, dass die filmkulturellen Initiativen komplexer geworden sind. In den 80er Jahren entwickelte sich eine neue Form der Präsentation von Filmgeschichte. Sowohl in Frankfurt am Main als auch in Düsseldorf und Potsdam gibt es jetzt Filmmuseen mit hervorragenden Ausstellungen – Dauerausstellungen und Wechselausstellungen – und das ist ein filmkulturell sehr wichtiger Aspekt, der uns zunehmend auch im Kinematheksverbund beschäftigt. Er hat dazu geführt, dass eine Arbeitsgruppe „Ausstellungen“ gebildet wurde, in der die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Regel zweimal jährlich zusammenkommen und spezielle Fragen behandeln. Da geht es im Moment zum Beispiel um Vernetzungsfragen, um Rechtsfragen, um die Frage, wie bewertet man Original-Exponat und Duplikat. Da gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen den einzelnen Museen und den einzelnen Ausstellungsmachern, und diese Arbeitsgruppe bietet die Gelegenheit, das im Meinungsaustausch zu bereden.

Dann, und das hatte zu tun mit dem 100. Geburtstag des Filme 1995, bildete sich eine Gruppe „Nationalfilmographie“. Das ist ein europäisches Projekt, an dem der Kinematheksverbund teilnimmt, und ich hoffe, dass dies auch ein längerfristiges Projekt bleibt, denn es ist jetzt als Nationalfilmographie, die es ja für Deutschland bisher nicht gab, doch ein Grundstock entwickelt worden; zunächst ist der Spielfilmbereich mit Minimaldaten aufgearbeitet worden. Ich gehe jetzt nicht ins Detail, sondern gebe nur als Stichwort, dass eine Datenbank aufgebaut wird als Nationalfilmographie für den Spielfilmbereich. Die Federführung liegt beim Bundesarchiv, und ein wichtiger Partner ist eine Institution, die ich noch nicht genannt habe, nämlich das Hamburgische Zentrum für Filmforschung „CineGraph“. Das ist eine sehr wichtige Einrichtung, die auf privater Basis funktioniert, aber Fördermittel des Landes Hamburg bekommt, und die gerade in im filmographischen Bereich außerordentlich erfolgreich und solide – das ist ja das Wichtigste dabei – tätig ist und seit 15 Jahren die Loseblattsammlung „CineGraph“ veröffentlicht, die im Hamburg erscheint und für alle Filmhistoriker eine unentbehrliche Informationsquelle ist. Bei diesem Hamburgischen Zentrum für Filmforschung sind die Erfassung und die Koordinierung für die Nationalfilmographie zentriert. Zum Jahresende 1995 wird die erste Stufe abgeschlossen sein und dann Eingang finden in einen europäischen filmographischen Korpus, und wir hoffen, dass auch die weiterer Bereiche Dokumentarfilm, Kurzfilm, Werbefilm usw. in den nächsten Jahren in ähnlicher Weise aufgearbeitet werden können.

Schließlich hat sich noch die sehr wichtige Arbeitsgruppe „Filmrestaurierung“ gebildet. Dort werden in den nächsten Jahren Prinzipien und Fachfragen der Filmrestaurierung und der Filmrekonstruktion behandelt werden können. Schon bei der ersten Sitzung war durch die große Teilnehmerzahl klar, dass es ein immenses Bedürfnis nach fachlichem Austausch und Gespräch gibt.

Natürlich war der Kinematheksverbund in diesen 16 Jahren kein Instrument, um alle existentiellen Fragen der Filmarchivierung zu lösen. Er hat in bestimmten Phasen aber Hilfestellung geben können, auch im politischen Bereich, denn die einzelnen Institutionen haben sich in bestimmten Situationen sich auch gegenseitig unterstützen können. Die politischen Möglichkeiten sind vielleicht nicht extrem groß, weil die Filmkultur keine sehr große Lobby hat, aber es ist dennoch möglich, dass über die einzelnen Institutsinteressen und –profile hinaus dieser Verbund wirksam ist.

Das war vor allem im Zusammenhang der Vorbereitung zu „100 Jahre Film“ sehr wichtig und auch erfolgreich. Wir haben zum Beispiel eine Umfrage durchgeführt nach den 100 wichtigsten deutschen Filmen, haben 400 Filmhistoriker, Filmjournalisten, Filmemacher, Kinomacher nach ihrer Meinung gefragt und haben dann durch den sehr großen Rücklauf – über 300 haben geantwortet – eine Art Rangliste bekommen. Die Nummer 1, auf die sich die meisten verständigen konnten, war M von Fritz Lang, und die Nummer 100, um Ihnen die Spannbreite zu zeigen, war der Zyklus DIE ZWEITE HEIMAT von Edgar Reitz. Dazwischen liegen 98 andere bedeutende Titel der deutschen Filmgeschichte. Mit der Liste dieser 100 Filme konnten wir auch einige Öffentlichkeitsarbeit machen. Unter anderem haben wir es geschafft, dass mit Sondermitteln des Bundesministeriums des Innern für einen Teil dieser 100 Filme, die noch nicht gesichert waren, beim Bundesarchiv Sicherungspakete  angelegt werden konnten; und dass für einen anderen Teil, die vom Verleih her nicht zugänglich waren, mit Mitteln, die für das Deutsche Institut für Filmkunde und die Deutsche Kinemathek zur Verfügung gestellt worden sind, Verleihkopien hergestellt wurden, so dass die meisten dieser 100 Filme auf nicht-gewerblicher Basis im Kino gezeigt werden können, weil die Rechte an diesen Filmen bei der Murnau-Stiftung liegen, und die entsprechenden Kopien von der Firma Transit verliehen werden. Insofern ist mit dieser Umfrage etwas mehr Leben in die deutsche Filmgeschichte gekommen.

Ich sagte schon am Anfang: Der Verbund ist so stark wie die Summe seiner Mitglieder, und diese Mitglieder verfügen über das Profil, das sie sich erarbeitet haben. Natürlich gibt es bestimmte Schwerpunkte, die jedes Institut sich stellt, so wie das gestern auch von Frau Honermann für Düsseldorf gesagt wurde. Hinzu kommt in Düsseldorf auch der Betrieb der „Black Box“ und das, was an Publikationen entstanden ist, also das, was Klaus Jaeger in den vergangenen 10, 20 Jahren aufgebaut hat. Entsprechendes gilt dann für ein Haus wie das Münchner Filmmuseum, das Anfang der 70er Jahre von Enno Patalas übernommen worden ist. Patalas, renommierter Filmhistoriker, widmete sich neben seinem Kinoprogramm vor allem der Filmrekonstruktion. Er spezialisierte sich auf einzelne prominente Filme der deutschen Filmgeschichte, immer in der Gewissheit, dass die große Masse der Filme vom Bundesarchiv bearbeitet wird. Diese Schwerpunktarbeit von Patalas ist von manchen Kollegen zwiespältig aufgenommen worden, weil es natürlich sehr viel Ehre und Ruhm einbringt, wenn man METROPOLIS und NOSFERATU, Lubitsch-Filme und Pabst-Filme rekonstruiert und dann damit auf Weltreise geht. Das bringt Renommee ein, aber die Kärnerarbeit wird anonym gemacht, das heißt, sie wird vor allem vom Bundesarchiv geleistet. Auf der anderen Seite ist natürlich die Arbeit von Patalas auch für den Export deutscher Filmgeschichte immer wichtig gewesen und bleibt wichtig, denn es geht ja nicht nur um die Pflege unserer Filmgeschichte hier im Land selbst, sondern auch in der auswärtigen Kulturarbeit, zum Beispiel durch die Goethe-Institute. Es ist Teil der Arbeit der Archive, das, was sie zur Rettung und zur Bewahrung des deutschen Films tun, zu zeigen, sowohl in der Bundesrepublik wie auch in den europäischen und außereuropäischen Ländern. Und es gibt ein erstaunliches Interesse an deutscher Filmgeschichte zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, wo die Goethe-Institute sehr aktiv sind und wo an den Universitäten in einer Weise über deutsche Filmgeschichte geforscht wird, von der sich manche deutsche Universität eine Scheibe abschneiden könnte.

Ich denke, ich sollte es bei diesen Stichworten belassen. Ich hoffe, dass Sie aus dieser Skizze den Eindruck haben gewinnen können, das der Kinematheksverbund als ein Instrument von Synergien Erfolg und Wirkung hat. Wichtig scheint mir noch der Hinweis, dass wir im Kinematheksverbund ein eher orthodoxes Verhältnis zum Film haben und zwar zum Film als Material. Video wird bei uns bis jetzt als Hilfsmaterial angesehen. Das ist keine Absage an moderne Technologien, sondern es ist ein großes Vertrauen in den Film als Material, auf dem bestimmte Produkte hergestellt worden sind. Wir fühlen uns diesem Material außerordentlich verpflichtet, seiner Pflege, seiner Bewahrung, seiner Archivierung, und werden alle Technologien zunächst dafür einsetzen, dieses Material zu sichern und so lange zu bewahren, wie es geht, und es eben nicht auf irgendeinen anderen Träger oder in ein anderes Informationssystem überspielen, weil wir bis jetzt keine befriedigenden Ergebnisse haben, dass die Rückspielung dieser Informationen auf Filmmaterial auch nur annähernd das erreicht, was auf dem Film vorher zu sehen war. Es gibt sogar den Streit innerhalb des Kinemathekverbundes zwischen einzelnen Archiven, wieweit das Nitromaterial, wenn es gesichert und umkopiert worden ist, nicht auch noch aufbewahrt werden sollte, weil die Umkopierungen immer besser werden und man bei manchen Sicherungen der 70er Jahre Ergebnisse erzielt hat, die man heute bei weitem übertreffen würde, die man aber nicht mehr machen kann, weil das Ausgangsmaterial damals vernichtet worden ist. Das hat mit Sicherheitsauflagen zu tun und mit vielen Problemen, die Archive haben, auch was Lagerung angeht. Aber im Prinzip will ich noch einmal betonen, dass das Filmmaterial für uns ein ganz wesentlicher Faktor der Archivierung ist; und dass wir den technologischen Träumen mit einem gewissen Misstrauen begegnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vortrag am 14. Dezember 1995 in Düsseldorf, WDR-Funkhaus.

Publiziert in: Wolf-Rüdiger Schleidgen (Red.): Ein kulturelles Erbe bewahren und nutzen… Düsseldorf 1996, S. 91-96.